Heribert Prantl wurde 1953 in Nittenau /Oberpfalz geboren. Er studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte und absolvierte eine Ausbildung zum Journalisten. Mehrere Jahre war Prantl als Richter an verschiedenen bayerischen Amts- und Landgerichten sowie als Staatsanwalt tätig. Seit 1987 ist er Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, wo er seit 1995 das Ressort Innenpolitik leitet.
Preisträger 1994
Heribert Prantl
Deutschland - leicht entflammbar
Ermittlungen gegen die Bonner Politik
Carl Hanser Verlag
München 1994
ISBN: 3-446-17691-8
Autor
Begründung der Jury
Mit „Deutschland – leicht entflammbar. Ermittlungen gegen die Bonner Politik“ von Heribert Prantl soll ein Buch ausgezeichnet werden, das sich kompromisslos und mutig für die Bewahrung der Liberalität in Deutschland einsetzt. Prantls Ermittlungen schildern den politischen Alltag und ziehen eine bedenkliche Bilanz des Verfalls der gegenwärtigen deutschen Rechts- und Innenpolitik. Prantls klare Stimme, die in der deutschen Publizistik ohnegleichen ist, dokumentiert die drohende Niederlage der Vernunft gegen politische Angst-Rhetorik. Entschieden fordert er die Beachtung der Grundrechte. Der liberale Rechtsstaat darf kein Haus ohne Hüter sein.
Verleihung
Am 21. November 1994 nahm Heribert Prantl in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München den Preis entgegen. Oberbürgermeister Christian Ude und Wolfram Göbel, Vorsitzender des Verbandes Bayerischer Verlage und Buchhandlungen e.V. (ehemaliger Name des Verbandes bis 2003), überreichten als Stellvertreter der Stifter die Urkunde.
Die Laudatio hielt Bundesminister a.D. Gerhart R. Baum
Laudatio von Gerhart R. Baum
Ich habe mich gefreut, als ich gefragt wurde, ob ich die Laudatio auf Heribert Prantl halten wolle. Ich tue dies aus großer Übereinstimmung mit seinen Positionen zu Themen, die in einem gerade abgeschlossenen 22-jährigen Bonner Leben auch meine Themen waren. Prantl hat als einer der wenigen Journalisten den kompromisslosen Mut, den schleichenden, unaufhörlichen Abbau rechtsstaatlicher Positionen im Asylrecht, im Ausländerrecht, im Strafrecht und anderswo immer wieder nachdrücklich beim Namen zu nennen. Die Freiheit stirbt scheibchenweise.
Eine Gesetzesänderung, ein Gerichtsurteil allein mag noch zu rechtfertigen sein. In der Summe haben sie eine tiefgreifende , aufzehrende Wirkung auf unsere Freiheitsrechte .Es ist das besondere Verdienst seines Buches, nicht nur die einzelnen Fälle zu bewerten, sondern eine durchgängige Entwicklung aufzuzeigen, die zu einem gefährlichen Trend geworden ist, dessen Ende nicht abzusehen ist.
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Heribert Prantl, der Kommentator der Süddeutschen Zeitung, schreibt in seinem gerade erschienen wichtigen Buch Deutschland leicht entflammbar: „... und so wird es dann am Ende sein: Wer sich auf seine Grundfreiheiten beruft, der wird sich verdächtig machen, wer ein Grundrecht gebrauchen will, der wird zum Missbraucher erklärt werden. Zuviel Recht, so wird es heißen, fördere das Unrecht. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Polizei und der Geheimdienste wird morgen ähnlich schwer zu erhalten sein, wie heute ein Asyl in Deutschland... Die Politik ist dabei, einen neuen Staat zu entwickeln: Im Sicherheitsstaat des Jahres 2000 wird es nicht mehr darum gehen, Straftaten zu verfolgen und konkreten Gefahren vorzubeugen, sondern schon denkbare Risiken zu vermeiden. In diesem Staat wird daher jeder einzelnen Bürger als Risikofaktor betrachtet und behandelt werden. Ein solcher Staat, der sich als Risikovermeidungsorganisation versteht, wird der Bevölkerung immer weniger Freiheiten lassen. Deren Angst vor Kriminalität ist ebenso, wie die Angst vor Flüchtlingen, eine stattliche geförderte Angst. Sie hat zur Folge, dass jede staatliche Maßnahme, so sie nur mehr Sicherheit verspricht, allgemeine Billigung findet. Die Menschen in einem solchen Staat werden sich zunächst in einem gut bewachten Ferienclub wähnen – und zu spät merken, dass es sich um ein nobles Gefängnis handelt.“
Viele, auch viele wohlmeidende demokratische Bürger, werden diese Feststellung als Übertreibung oder Dramatisierung ansehen. In Festreden wird unsere gewachsene, gefestigte Demokratie gelobt. Sind wir doch stolz darauf seit 1945 nach alliierter Befreiung – nicht etwa auch durch eigene Tat oder frühere Revolution – die erste Demokratie auf deutschem Boden aufgebaut zu haben. Sind wir nicht stolz darauf, uns „europäischer Gesittung“, von der Thomas Mann spricht, geöffnet zu haben. Sind wir, die wir in den Jahren um 1968 politisch aktiv waren, nicht stolz auf die Impulse, die wir unserer Demokratie gegeben haben? Wir sollten uns nicht in Sicherheit wiegen. Die Demokratie muss immer wieder neu erkämpft werden.
Woher rührt die heutige gewachsene Gleichgültigkeit? Wie weit sind wir gekommen, dass heute ein solches Buch geschrieben werden muss, das von manchen als zu radikal, abwegig, oder gar als gefährlich angesehen wird? Steht Prantl bereits außerhalb des Grundkonsenses unserer Gesellschaft?
Der Wunsch nach Sicherheit ist so stark geworden, meine ich, dass selbst eine fragwürdige Sicherheit als Zuflucht empfunden wird – und dies besonders seit dem Zusammenbruch des Kommunismus. Jahrzehntelang eingeübte Verhaltensmuster sind unbrauchbar geworden. Die alten Antworten taugen nicht mehr für die Lösung der Probleme von heute und morgen. Vor allem ist die Möglichkeit genommen worden, Freiheit in der Gegnerschaft zum Kommunismus zu definieren.
Statt nun konsequent die kreativen Möglichkeiten der Freiheit in einer Weltrisikogemeinschaft zu nutzen, werden neue Feindbilder aufgebaut; die Minderheiten ganz allgemein, die Ausländer, die Asylanten. Dieses führt zu einer Vereinigung des Denkens hin zum Nationalstaat alter Prägung. Das gleiche bewirkt das diffuse Gerede vom Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen – nur der Deutschen. Manche träumen davon, dass, wie es Prantl ausdrückt: „der Urlaub von der Geschichte zu Ende ist." Aber, meine Damen und Herren, diese ersehnte Normalität kann es für uns Deutsche nicht geben.
Heribert Prantl erhält heute den Geschwister-Scholl-Preis.
In dunkelster Zeit der Nazidiktatur haben die Geschwister Scholl und ihre Freunde in bewundernswerter Weise Zeugnis abgelegt für die sittlichen Werte des Christentums und der rechtsstaatlichen Demokratie. Sie wollten das Gewissen aufrütteln. Im Holocaust-Museum in Washington, das in ungemein eindrücklicher Weise über das Schicksal der Juden und damit auch über ein Stück deutscher Geschichte in diesem Jahrhundert berichtet, wird auf ein einziges einprägsames Zeugnis deutschen Widerstandes hingewiesen: auf das der Geschwister Scholl und ihres Kreises.
Dort ist ihr Flugblatt zu lesen, in dem es heißt: „Hier – in dem Mord an den Juden – sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschheitsgeschichte an die Seite stellen kann.“ Unsere Geschichte ist unvergleichbar und deshalb haben Rassismus und Ausländerfeindlichkeit heute in Deutschland einen anderen Stellenwert als anderswo. Da darf es keine Verharmlosung geben mit der Begründung: so etwas passiert überall auf der Welt.
Prantl hat Recht: „Gewalt beginnt im Kopf". Heute wird rechtsextreme Ideologie entstigmatisiert, die Schamgrenze zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus so verwischt – wie noch nie zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik. Erschreckend ist eine deutlich rechtsextreme Reintellektualisierung in Zeitschriften, an Universitäten, in staatlich geförderten Bildungseinrichtungen – und anderswo. Geistige Brandstifter sind am Werke. Es ist kein Zeichen der Entwarnung, wenn rechtsextreme Parteien zur Zeit bei Wahlen keinen Erfolg haben. Es gibt ein Netzwerk rechtsextremer Organisationen, deren Mitgliederzahl wächst. Die Einzeltäter, die kleinen militanten Gruppen fühlen sich dadurch motiviert.
Da gibt es nur eine Reaktion: der schonungslose Umgang mit Tatsachen und Ursachen, die offensive kämpferische Auseinandersetzung. Dies ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft, also jedes einzelnen Bürgers und nicht allein nur Sache von Polizei und Justiz.
Sicher geschieht schon eine Menge. Darauf habe ich im Frühjahr als Leiter der Deutschen Delegation bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf die Vertreter der dort versammelten Staaten informiert.
Zum ersten Mal überhaupt war Deutschland dort Gegenstand eines offiziellen Verfahrens. Im Januar wird ein Sonderberichterstatter der Kommission aus diesem Grunde nach Deutschland kommen. Aber nicht nur wegen Kritik von außen – um unserer selbst willen dürfen wir nicht nachlassen.
Geboten aber ist auch der sorgfältige Umgang mit den Ängsten in unserer Gesellschaft, die die Rechtsextremen für sich zu nutzen suchen. Wir müssen auf die Ängste eingehen und wo es möglich ist – ihre Ursachen beseitigen. Es ist jedoch unverantwortlich, um kurzfristiger Vorteile willen, populistisch Ängste zu nähren und sich dann als selbsternannter Retter anzubieten – in der Hoffnung, man werde gewählt.
Dieser Preis ist zu hoch.
Gegen die Unsicherheiten und Gefahren wird heute der „starke Staat“ angeboten – gemeint ist der Staat, der seine Machtmittel durch immer neue Gesetze und Regelungen zeigt – ein gefährlicher Paradigmenwechsel. Warum bleiben diejenigen, die zu Recht gegen einen alles reglementierenden Staat im Bereich der Wirtschaftspolitik antreten, nicht konsequent, wenn es um die Bürgerrechte geht?
Meine Erfahrung zeigt, dass viele dieser neuen Maßnahmen und Forderungen zur Verbrechensbekämpfung ungeeignet sind. Sie helfen nicht, aber sie beschädigen den Rechtsstaat.
Hinzu kommen zahlreiche Symboldiskussionen: Es wird eine Forderung aufgestellt, monatelang diskutiert, schließlich beschlossen. Die Diskussion ist beendet. Die Lebenswirklichkeit hat sich, wie das Beispiel des sogenannten Vermummungsverbotes zeigt, aber überhaupt nicht verändert.
Nein, meine Damen und Herren: Der Staat muss sicherlich das notwendige Instrumentarium haben, um den Bürger zu schützen und dies kann und muss ohne Rechtsstaatsverletzungen noch verbessert werden. Vergessen wir aber nicht: die Demokratie ist letztlich nur stark durch streitbare und zivilcouragierte Bürgerinnen und Bürger.
Es gibt die Gefahr, dass die Freiheit zu Tode geschützt und dadurch unansehnlich wird. Was ist dann noch zu verteidigen?
Prantl zeigt den Verantwortlichen in der Politik auf, wie weit sie schon gegangen sind. Einigen von ihnen hat er immerhin ein schlechtes Gewissen gemacht. Ich habe als Bonner Politiker an einigen Entscheidungen mitgewirkt, die Prantl kritisiert hat, und zwar mit dem Ziele der Verbesserung oder der Verhütung von Schlimmeren. Es gibt Situationen des schwierigen politischen Kompromisses. Sie enden dort, wo es an die Substanz geht, wie beim Grundrecht auf Asyl.
Es ist am Ende seines Buches eine harte Feststellung: der Rechtsstaat habe keine politischen Hüter mehr. Die gibt es sicher noch, aber sie sind nicht kräftig genug. Die Ablehnung der gefundenen Lösungen etwa im Asylrecht, darf nicht darüber hinwegtäuschen – Prantl tut es auch nicht – dass schwierige Situationen, wie die hohe Zuwanderung, Antworten erfordern, aber eben andere.
Es ist gefährlich, wenn aus der Feststellung, die Gefahr für die Freiheit des Einzelnen könne niemals vom Staat ausgehen, sondern immer nur von den Verbrechern, die Schlussfolgerung abgeleitet wird, der Zweck heilige jedes Mittel: die Verwischung der Kompetenzen von Verfassungsschutz und Polizei, der Einsatz der Bundeswehr im Innern, der Abbau der Kontrolle der Polizei durch die Staatsanwaltschaft. Wo endet dieser Weg?
Für mich gilt, was Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gerade in einem Interview bekräftigt hat: „Wir müssen deutlich machen, wo wir dem Staat Grenzen setzen, wenn es sich um die Freiheitsrechte des Einzelnen handelt. Das gilt auch und gerade für die Verdächtigen und sogar für den Rechtsbrecher.
Die zentralen Einzelthemen in Prantls Buch sind das Ausländer-, das Asyl-, das Strafrecht. Prantl schildert mit besonderer innerer Betroffenheit, die Leidensgeschichte des Ausländerrechts, das bis heute nicht von der Wahrheit ausgeht, dass Deutschland seit langem de facto ein Einwanderungsland ist.
Es ist so, wie Prantl es beschreibt: „das Ausländerrecht springt hin und her zwischen Humanität und Herzlosigkeit. Die versprochene Rechtssicherheit wird in einem Mahlwerk widersprüchlicher Normen zerrieben."
So kommt es zu Situationen wie jüngst in Köln, wo ein Kind gegen sein eigenes Wohl, nur aus formalen Gründen, in die Türkei abgeschoben werden sollte, da sein Hierbleiben bei der Großmutter, wie es hieß :die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland„ gefährdet hätte. Streitbare Bürger konnten dies verhindern.
Wir werden auch künftig mit vielen Ausländern leben, die, auch wenn sie Deutsche werden, ihre Herkunft nicht verleugnen können. Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, wird der Ausländeranteil steigen.
Der eher konservative Kronberger Kreis rechnet mit einer notwendigen Einwanderung von mindestens 200.000 – 300.000 Ausländern pro Jahr – und das ist nur ein Drittel der durch die demographische Entwicklung ausgelösten Defizite. Dazu bedarf es eines Einwanderungsgesetzes. Das Eigene gewinnt nicht durch die Abgrenzung gegen das Fremde. Ulrich Beck nennt diesen Irrtum, „die territoriale Theorie der Identität“, das „Gefängnis irrender Identität“, in der sich die Gruppen gegeneinander ausschließen.
Prantl hat völlig Recht, wenn er die Demokratie, als die Gemeinschaft derjenigen bezeichnet, die ihre gemeinsame Zukunft miteinander gestalten. Ich stimme Ignaz Bubis zu, der kürzlich gesagt hat: „Das Blut der Ahnen dürfe nicht länger den Ausschlag geben, wenn es um die Staatsangehörigkeit in Deutschland geht". Ein neues Staatsangehörigkeitsrecht mit einer vorläufigen deutschen Staatsangehörigkeit mit späterem Wahlrecht für alle, die hier geboren sind, wäre nur konsequent.
Wir brauchen eine Humanisierung des Ausländerrechts. Die von den Regierungsparteien beabsichtigte Änderung des Ausländerrechts muss zu integrations- und familiengerechteren Lösungen führen. Das kommunale Ausländerwahlrecht ist unverzichtbar. Wie will man den Verzicht auf entschiedenere Schritte hin zur doppelten Staatsangehörigkeit unter bestimmten Umständen begründen, wenn man diese gleichzeitig für die Deutschstämmigen in Polen fordert.
Beim Asyl ging es um ein Grundrecht. Für Prantl ist das der gravierende Eingriff in unser Rechtssystem. Am Ende dieser jahrzehntelangen Asyldiskussion stand zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland die Abschaffung eines Grundrechts. Der Kernsatz: „Politisch Verfolgte genießen Asyl" ist in Artikel 16 GG zwar stehen geblieben, aber seines Inhalts beraubt worden. Wir sind, wie Prantl zu Recht sagt, zur „Wagenburg Deutschland" geworden.
Heute hätte der griechische Demokrat, der dem früheren Militärregime entkommen konnte, nicht die Möglichkeit, eine Professur in München zu übernehmen. Er würde, wenn über Österreich eingereist, dorthin zurückgeschickt. Nur mit einem Visum könnte er legal vom Asylrecht Gebrauch – aber wann geschieht das heute?
Jahrelang gab es einen Druck auf dieses Grundrecht, statt effizientere Maßnahmen anzugehen, wurde Ziel auf den Grundrechtsabbau genommen. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass es anders gegangen wäre. Ein Grundrecht, das zum wertvollsten Erbe des Grundgesetzes gehört, wurde jahrelang öffentlich diskreditiert und sturmreif geschossen. Der kalte schematische Formalismus dieser neuen Regelung veranlasste die Kirchen zu einer Notaktion der Menschlichkeit – dem sogenannten Kirchenasyl.
Warum wurde den Menschen hier verschwiegen, dass die große Mehrheit der Zuwanderer immer noch aus Ost- und Südosteuropa kommen, nachdem, wie lange gefordert, die Grenzen geöffnet und das Wohlstandsgefälle offenbar wurde. Wir werden auf Dauer keinen Erfolg haben, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse in Osteuropa sich nicht bessern.
Prantls Thema ist auch die Verbrechensbekämpfung, mit den Verbrechensbekämpfungsgesetzen in Serie, mit der hochgeredeten Gefahr des organisierten Verbrechens, mit der missbräuchlichen Verwendung der Kriminalstatistik bis hin zum heimlichen Belauschen einer Privatwohnung mit elektronischen Mitteln „bei bloß verdächtigten Personen, ihren Kontakt- und Begleitpersonen“. Der Zweck würde auch hier ja gar nicht erreicht werden. Die Profis werden sich professionell schützen. Wieder geht es um eine Symboldiskussion. Die Aushöhlung eines weiteren fundamentalen Grundrechts wäre die Folge. „Die Wohnung ist unverletzlich“. Eine Vielzahl von Gesprächen und Gesprächspartnern, darunter auch das vertrauliche Gespräch mit dem Arzt, dem Rechtsanwalt oder dem Priester würde erfasst.
Meine Damen und Herren, es ist ein langes Sündenregister, das aufrütteln sollte.
Ich komme zum Schluss: Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs. Sie bewirkt Unsicherheit. Jede Veränderung bewirkt dies. Wir müssen lernen, mit dieser Unsicherheit umzugehen und sie zu akzeptieren, als Grundlage für ehrliche, neue Lösungen. Es gilt die Zukunft mit Mut und Phantasie zu gestalten. Die Geschwister Scholl hatten eine Vision von Freiheit und Verantwortung des einzelnen. Im Gegensatz zu vielen anderen, haben sie auch danach gehandelt. Folgen wir Ihrem Beispiel.
Wir müssen heute, in unserem demokratischen Staat, nicht unser Leben einsetzen für die Ziele – aber jeder einzelne muss seine Verantwortung haben. Heribert Prantl gibt uns mit seinem mutigen Buch ein Beispiel.
Ich gratuliere ihm sehr herzlich zum Geschwister-Scholl-Preis 1994 und wünsche mir, dass er weiterhin kräftig und streitbar seine Stimme erhebt.
Gerhart R. Baum, München 21.11.1994
Es gilt das gesprochene Wort.
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