Garance Le Caisne ist freie Journalistin und schreibt für „Le Journal du Dimanche“ und „L’Obs“. Seit 1990 berichtet sie über den Nahen Osten. Nachdem sie mehrfach in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Syrien gereist ist, hat sie sich auf die Suche nach Caesar gemacht. Mehr als ein halbes Jahr dauerte es, bis sie ihn fand und sein Vertrauen gewann.
Preisträgerin 2016
Garance Le Caisne
Codename Caesar
Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie
C.H.Beck
München 2016
249 Seiten, € 17,95 (D)
ISBN: 978-3-406-69211-6
Autorin
Begründung der Jury
Das Buch „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“ von Garance Le Caisne erzählt die Geschichte eines syrischen Militärfotografen, eben jenes anonymen Caesar, der Zehntausende Fotos von den Ermordeten aus den Kerkern des Assad-Regimes kopiert und außer Landes geschmuggelt hat. Zwei Jahre lang hat er täglich sein Leben riskiert, inzwischen lebt er an einem unbekannten Ort in Nordeuropa. Die französische Journalistin Garance Le Caisne hat nach Monaten sein Vertrauen gewonnen – und seine Geschichte aufgeschrieben. Das Buch erspart dem Leser die Bilder der verhungerten, verstümmelten, verbrannten Leichen und ist dennoch Zeugnis eines überragenden, mehr noch: sich seiner selbst kaum bewussten Mutes ebenso wie eine Dokumentation der bürokratischen Obsession eines verbrecherischen Regimes. Denn während die Terroristen des so genannten Islamischen Staates mit demonstrativer Öffentlichkeit morden, verbirgt das Assad-Regime seine Taten.
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Der Geschwister-Scholl-Preis zeichnet Werke aus, die „dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse geben“. „Codename Caesar“ tut dies auf überragende Weise, unter höchstem persönlichem Risiko und mit möglicherweise völkerrechtlichen Konsequenzen für die Täter. Menschen wie Caesar und wie die Journalistin Garance Le Caisne, die ihm eine Stimme gibt, sind unverzichtbar, wenn man die inneren Mechanismen einer Diktatur verstehen will und wenn den Opfern eines Tages Genugtuung verschafft werden soll.
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Ansprache von Michael Then
La vérité, meine Damen und Herren, die Wahrheit ist, wie einst Ingeborg Bachmann sagte, dem Menschen zumutbar.
Heute Abend muten wir Ihnen anlässlich der Verleihung des Geschwister Scholl Preises 2016 an die französische Journalistin Garance Le Caisne eine Wahrheit zu, die aus Bildern entstanden ist. Bilder, die Sie so schnell nicht vergessen werden.
Ein Bild, so heißt es leichthin, sagt mehr als tausend Worte. Doch für die Bilder, die ein Fotograf der syrischen Militärpolizei im August 2013 aus Syrien geschmuggelt hatte, gibt es keine Worte, denn diese Fotos sind ein Horror. „Caesar“, so der Codename des Fotografen war ein Archivar des Todes. Er fotografierte die Leichen und legte Akten über sie an.
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„Ich habe Kerzenspuren gesehen. Einmal war der Abdruck einer Heizplatte zu erkennen, wie man sie benutzt, um Tee zu erhitzen. Man hatte einem Gefangenen Gesicht und Haare damit verbrannt. Manche hatten tiefe Schnitte, herausgerissene Augen, eingeschlagene Zähne, Spuren von Schlägen mit Starterkabeln. Es gab Wunden, die voller Eiter waren, als hätten sie sich infiziert, weil man sie lange nicht versorgt hatte. Manchmal waren die Leichen mit Blut bedeckt, das noch kaum geronnen war. Sie waren offenbar gerade erst gestorben.“
Akribisch führte die syrische Bürokratie Buch über die Leichen. Jede Leiche erhielt drei Nummern und wurde viermal fotografiert: Gesicht, ganzer Körper, Oberkörper, Schenkel. Caesar musste die Fotos ausdrucken, ordnen, aufkleben und abheften.
Drei Jahre, „lebte Caesar unter Todesangst“, wie Sie Madame Le Caisne, in ihrem Buch schreiben.
„Er ist kein Widerstandskämpfer. Es ist ihm nicht leichtgefallen, zu desertieren und seine Familie allein zu lassen. Er ist ein Mann, der das Unrecht nicht mehr ertragen hat und Zeugnis ablegen wollte.“
Die Veröffentlichung der Bilder sorgt 2014 weltweit für Aufsehen:
„Ich habe niemals so schlagende Beweise für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesehen. Sollte Assad also jemals zur Rechenschaft gezogen werden, dürften die Fotos entscheidende Beweise sein“, sagte Stephen Rapp, ehemaliger Ankläger des Internationalen Sondertribunals für Ruanda und Sierra Leone.
Die Wahrheit, verehrte Gäste, ist allen Menschen zumutbar.
Sie fragen sich vielleicht, wie das politische Establishment auf diese Wahrheit reagierte? China schweigt, Russland antwortet sarkastisch und die USA schweigen beleidigt. Baschar Al-Assad kann noch Anfang 2015 in einem Interview mit der Zeitschrift „Foreign Affairs“ behaupten, Caesar, den Militärfotografen habe es nie gegeben, die Fotos seien allesamt gefälscht: „Wer hat diese Fotos aufgenommen? Wer ist es? Niemand weiß es. Es sind haltlose Vorwürfe.“
Caesar taucht aus Sicherheitsgründen wieder ab und damit endet die Wahrheit der Bilder, sie werden vergessen und abgelegt.
Überhaupt, wer will schon ständig Bilder aus dem allerletzten Kreis der Hölle sehen, lebt es sich nicht besser mit der Zeile aus Alfreds Trinklied aus der Operette Die Fledermaus: „Glücklich ist, / wer vergisst, / was doch nicht zu ändern ist“?
Sie, Madame Le Caisne, wollten nicht vergessen. Sie haben, wie seinerzeit Emile Zola, „J´accuse …!“ gerufen und dem Vergessen ein eindeutiges und mutiges NON entgegengesetzt. Für sie war es, wie sie in einem Interview erklärten, "einfach undenkbar, dass dieser Mann nicht spricht, dass er nicht aussagt und eines Tages Zeugnis ablegt."
Sie haben neun Monate recherchiert, gesucht, geworben, Vertrauen aufgebaut und zu guter Letzt einen Kontakt zu Caesar gefunden.
Es ging Ihnen aber nicht um einen schnellen Scoop, um einen medialen Effekt; es ging ihnen um eine genaue Studie von Assads Verbrechen, die eines Tages hoffentlich als Grundlage für ein Verfahren vor einem internationalen Gerichtshof dienen wird. Deshalb kommen in ihrem Buch - „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“- zahlreiche Zeugen zu Wort, die in den Gefängnissen des syrischen Regimes gesessen haben, um Belege zu haben für Foltermethoden und Todesarten.
Und Sie haben Caesar und seinen Bildern eine Stimme gegeben, und was für eine. Ihr Buch ist zu Recht eine Anklageschrift genannt worden. Sie zitieren Caesar mit einem Satz, der das ganze Ausmaß der Unmenschlichkeit zum Ausdruck bringt:
„Nie zuvor hatte ich so etwas gesehen. Vor der Revolution folterten die Mitglieder des Regimes, um an Informationen zu kommen. Heute foltern sie, um zu töten.“
Ihr Buch ist aber auch ein zutiefst bewegendes Dokument für die Menschlichkeit der Gefangenen untereinander. Und vor allem ein Buch gegen das Vergessen.
Niemand wüsste etwas über die Opfer, wären da nicht wenigstens die Schicksale, von denen Caesar und einige der überlebenden Häftlinge ihnen stellvertretend erzählt hatten. Sie haben die Orte, wo gefoltert wird, benannt und den Toten ein Gesicht und eine Geschichte gegeben, wie Ahmad al-Musalmani, der 2012 im Alter von nur 14 Jahren festgenommen worden war, weil er ein regimekritisches Lied auf seinem Handy hatte. Er starb ein Jahr später in Haft. Ahmads Onkel versuchte jahrelang, seinen Neffen zu finden und zahlte rund 13.000 € an Bestechungsgeldern für seine angebliche Freilassung. Schließlich erkannte er seinen Neffen tot auf einem der Bilder von Caesar.
Niemand wüsste davon, mit welcher bürokratischen Obsession ein verbrecherisches Regime seine Taten dokumentiert.
Niemand wüsste von den inneren Mechanismen der syrischen Diktatur.
Und Niemand kann nach dem Erscheinen Ihres Buches mehr sagen: „Davon habe ich nichts gewusst!“
Denn die Wahrheit ist jedem von uns zumutbar!
Eine der wichtigsten Aufgaben der Literatur ist, verehrte Damen und Herren, die Verteidigung der Freiheit und die Suche nach der Wahrheit. Darum sprechen wir heute Abend vom Mut einer Autorin, die den Sprachlosen eine Stimme gegeben hat und von der Bereitschaft eines Verlegers, jenseits von Businessplänen und Bestsellerlisten, diese Wahrheit zu Markte zu tragen. Und wir sprechen darüber, wie schwierig es ist, der Wahrheit eine Stimme zu geben; dass es der Beharrlichkeit einer Autorin wie Madame le Caisne bedurfte, damit die Wahrheit ihren Weg zu uns allen findet, auch wenn nicht jeder die Wahrheit gerne hört. Wie bedroht die Wahrheit ist, sehen wir daran, dass sie von der Politik zu oft ignoriert, vergessen, ja verleugnet wird.
Und dass sie in den digitalen Medien mit Spott und Hohn übergossen wird, ist schlicht unerträglich und nicht hinnehmbar.
Der Geschwister Scholl Preis ist immer auch eine Verpflichtung und Mahnung an uns alle, dass die Wahrheit und die Freiheit des Wortes kostbare Güter sind, die wir alle jeden Tag verteidigen und schützen sollten.
Wahr ist: Menschen verschwinden nicht einfach, sie werden in syrischen Gefängnissen systematisch zu Tode gefoltert.
Wahr ist: Die UN-Antifolterkonvention haben aktuell 160 Staaten ratifiziert, auch Syrien. Die Konvention ist völkerrechtlich verbindlich.
Laut Artikel 1 bezeichnet Folter „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen“.
Artikel 2 legt fest, dass jeder Vertragsstaat dafür sorgt, Folter in seinem Hoheitsgebiet zu verhindern und unter Strafe zu stellen.
Und wahr ist auch, was Caesar uns allen mit auf den Weg gibt:
„Die Wahrheit wird siegen … Ein Recht ist erst verloren, wenn keiner mehr aufsteht, dafür einzutreten.“
Im vierten Flugblatt der Geschwister Scholl lesen wir:
„Wer hat die Toten gezählt, Hitler oder Goebbels – wohl keiner von beiden. Täglich fallen in Russland Tausende. Es ist die Zeit der Ernte, und der Schnitter fährt mit vollem Zug in die reife Saat. Die Trauer kehrt ein in die Hütten der Heimat und niemand ist da, der die Tränen der Mütter trocknet, Hitler aber belügt die, deren teuerstes Gut er geraubt und in den sinnlosen Tod getrieben hat.“
Das Flugblatt schließt mit der Ankündigung:
„Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!“
Und so verstehe ich Ihr Buch als „böses Gewissen“ ganz im Sinne der Namensgeber dieses Preises und gratuliere Ihnen, Madame Le Caisne, im Namen aller Anwesenden sehr herzlich zu diesem Preis.
© Michael Then, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V.
Es gilt das gesprochene Wort.
Die Rede ist urheberrechtlich geschützt. Wenn Sie die Rede oder Teile daraus für eine Veröffentlichung nutzen möchten, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des Börsenvereins - Landesverband Bayern. Wir sind Ihnen bei der Klärung der Rechtefrage gerne behilflich.
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Ansprache von Dieter Reiter
vertreten durch Dr. Hans-Georg Küppers
Ich begrüße Sie zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2016, den wir gemeinsam mit dem Landesverband Bayern des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels heuer zum 37. Mal vergeben. Ein allzu euphorischer Einstieg verbietet sich dabei schon deshalb, weil es auf der Welt derzeit wohl keinen Konflikt gibt, dessen Schauplätze so oft als „Hölle auf Erden“ bezeichnet wurden, wie den syrischen Bürgerkrieg. Das Leiden der Menschen etwa in der umkämpften Stadt Aleppo, aber keineswegs nur dort, ist eine absolute Katastrophe und die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, es auch nur ansatzweise zu lindern, eine Schande.
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Schon die Bilder und Nachrichten der tagtäglichen Gräuel dieses furchtbaren Gemetzels rufen in uns blankes Entsetzen hervor. Doch der syrische Diktator Baschar al-Assad legt neben all seiner Brutalität auch noch einen menschenverachtenden Zynismus an den Tag, der einem fast den Glauben an die Menschheit raubt. Denn während das Land auf der einen Seite in Strömen von Blut versinkt, bewirbt das syrische Tourismusministerium unter anderem Aleppo mit entsprechenden Propagandavideos doch allen Ernstes als Urlaubsziel. Das Ganze gehört offenbar zu einer breit angelegten Kampagne des Regimes, um Normalität vorzugaukeln und sich als Herr der Lage zu präsentieren.
Die Hölle auf Erden herrscht in Syrien aber nicht nur da, wo Fassbomben auf Krankenhäuser und Schulen geworfen werden, um die Zivilbevölkerung gezielt zu terrorisieren, sondern auch in den Folterkammern des Regimes. Nichts anderes nämlich sind die Gefängnisse des Landes, in denen Kritiker der Regierung schon seit Jahrzehnten brutal misshandelt und zum Schweigen gebracht werden.
Erst kürzlich hat Amnesty International dazu einen schockierenden Bericht veröffentlicht. Darin prangert die Menschenrechtsorganisation Folter, Mißhandlungen und katastrophale Haftbedingungen in syrischen Gefängnissen an. Auf mehr als 17.000 Tote beziffert Amnesty die entsprechenden Opfer seit Beginn des „Arabischen Frühlings“ 2011. Wobei die meisten der Häftlinge nicht einmal Soldaten oder Kämpfer einer Miliz waren, sondern friedliche Demonstranten, Studenten und Oppositionelle, deren einziges „Vergehen“ es war, gegen den alleinigen Machtanspruch des herrschenden Systems zu protestieren.
Der Report von Amnesty International nennt im Rahmen seiner Beweissammlung auch die mehr als 50.000 außer Landes geschmuggelten Fotos des ehemaligen syrischen Militärfotografen mit dem Decknamen „Caesar“, der Pate und Rede stand für das hier und heute ausgezeichnete Buch „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“. Geschrieben hat es die französische Journalistin Garance Le Caisne, die den 2013 nach Europa geflohenen Syrer ausfindig gemacht und interviewt hat. Seine Aufgabe war es, die Leichen der in den syrischen Haftanstalten getöteten Gefangenen zu fotografieren und die Bilder anschließend zu archivieren.
Die unübersehbaren Spuren von Folter und Gewalt ließen den Fotografen nicht mehr los. Und damit reifte in ihm die Entscheidung, diese himmelschreiende Barbarei an die Weltöffentlichkeit zu bringen. Dazu hat er die Bilder heimlich kopiert, aus den Kerkern des Assad-Regimes herausgeschafft und unter Lebensgefahr ins Ausland gebracht. 2014 wurden sie dann ins Internet gestellt und unter anderem von der Internationalen Syrien-Ermittlungskommission der Vereinten Nationen als echt bestätigt. Der Aufschrei der Welt war laut, aber kurz.
Garance Le Caisne haben wir es zu verdanken, dass der Stachel im Fleisch der Staatengemeinschaft dennoch weiter schmerzt. Dank ihrer Entschlossenheit und Beharrlichkeit liegen die Dokumente von Caesar jetzt nämlich nicht mehr nur in bildlicher Form vor, sondern auch als überaus eindringliche Reportage. Grundlage dafür waren die Mitschnitte der Gespräche mit Caesar und weitere Interviews mit ehemaligen Häftlingen der syrischen Gefängnisse.
Doch um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch zu lesen ist eine psychische Belastung und die darin beschriebenen Grausamkeiten kaum zu ertragen. Doch wieviel mal mehr müssen sie denjenigen peinigen, der all die geschundenen und verstümmelten Leiber der Opfer mit eigenen Augen ansehen und im Bild festhalten musste. Umso verständlicher ist sein Verlangen danach, dass die Verantwortlichen dieser Menschenrechtsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Doch ob und wann das der Fall sein wird, kann im Moment keiner sagen. Stattdessen „geht das Spiel weiter, blutig und verrückt, zwischen den Wölfen des Todes und den Gazellen, die nach Freiheit lechzen.“ So hat es der syrische Lyriker Faraj Bayrakdar ausgedrückt, der selbst jahrelang in einer der berüchtigtsten Haftanstalten Syriens interniert war.
Trotzdem müssen immer wieder Zeichen gesetzt werden, Zeichen gegen das Vergessen, gegen die Gleichgültigkeit, gegen die schleichende Gewöhnung an den Zustand der Unmenschlichkeit. Es geht darum, zu zeigen, dass wir uns nicht abfinden werden mit einer Welt, in der Hass und Gewalt regieren und die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird. Es geht darum, zu schreien, wo andere schweigen, selbst wenn ein Schrei nichts ändern kann, wie es der Münchner Liedermacher Konstantin Wecker in seiner Hommage an die Geschwister Scholl und die „Weiße Rose“ gesungen hat. Trotz allem schwingt auch dort die leise Hoffnung mit, dass der Aufstand des Gewissens am Ende doch nicht ohne Folgen bleibt.
In diesem Sinne danke ich Ihnen, sehr geehrte Garance Le Caisne , und damit natürlich auch stellvertretend Caesar und seinen Mitstreitern ausdrücklich für Ihren engagierten Kampf für Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zum Geschwister-Scholl-Preises 2016!
© Dieter Reiter, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München
Es gilt das gesprochene Wort.
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Laudatio von Christoph Reuter
Er war 19, als wir ihn trafen. Ahmed, ein geflohener Soldat aus Assads Armee in Syrien, der in einer Hütte nahe der türkischen Grenze auf dem Boden saß. Sie waren eine Gruppe von Überläufern. Jeder hatte sein Leben riskiert, um dieser Armee den Rücken zu kehren, die auf friedliche Demonstranten schoss. Wir sollten mit Ahmed reden, sagten die anderen. Vielleicht würden wir schlau aus ihm. Denn was er erzählte, war so monströs, so unfassbar, dass selbst sie zweifelten, die sie schon so viele Gräuel gesehen hatten.
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Zwei Wochen lang war Ahmeds Einheit abkommandiert gewesen zum Areal des Militärkrankenhauses in Homs. Seine Aufgabe war es, Leichen zu stapeln vom Morgen bis zum Sonnenuntergang. In Lastwagen und Krankenwagen wurden sie angeliefert. Manchmal seien es ein paar Dutzend am Tag gewesen, manchmal zwei, dreihundert.
Ahmed musste die Toten abladen und aufreihen. Dann bekamen sie eine Nummer und wurden fotografiert. Am Ende packte er sie in weiße Plastiksäcke und wuchtete diese in große Kühllaster, die abfuhren, sobald sie voll waren.
Manchmal seien nur noch Teile übrig gewesen, sagte er. Dann hätten sie versucht, je einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine in einen Sack zu packen. Andere kamen noch bekleidet an, hatten Geld und Telefone bei sich. Nach einer Woche habe er nachts im Schlaf geredet, erzählte er im Juni 2012: „Hey, Mohammed, gib mir das Bein! Samir, ich brauche noch den Kopf.“ Einen unbeobachteten Moment Monate später nutzte er zur Flucht.
In den folgenden anderthalb Jahren haben wir noch zwei solche Geschichten gehört, präzise Schilderungen von Augenzeugen, die sich im Fall von Homs auf exakt denselben Ort bezogen: im innersten Hof des Militärkrankenhauses, und dann nach links nahe den Kühlräumen. Aber wir haben nie etwas darüber veröffentlicht. Denn wir hatten keine Beweise, keine Bilder.
Doch dann kam „Caesar“.
Ein Fotograf der Militärpolizei in Damaskus, der zuvor Bilder von Verkehrsunfällen und verunglückten Soldaten gemacht hatte. Ein kleines Rädchen in der syrischen Bürokratie. Dessen spätere Tat den bis heute wichtigsten Beleg liefern würde für das, was in Syriens Gefängnissen geschah und weiterhin geschieht.
Denn seit April 2011 bekam er tagtäglich neue Motive zu fotografieren: Leichen.
Verhungerte, erschossene, strangulierte, erschlagene Menschen. Die allermeisten kamen aus den Gefängnissen und Folterkellern der verschiedenen Geheimdienste. Sie wurden aufgereiht, nummeriert, von Caesar und seinen Kollegen fotografiert, in Plastiksäcke verpackt und weggefahren. Der gleiche Prozess wie in Homs. Jeden Tag, von 8 bis 14 Uhr und weiter von 18 Uhr bis zum späten Abend. Man musste fertig werden, sagt Caesar, denn „man wusste, dass tags darauf neue Leichen warten würden.“
Zwei Jahre lang fotografierte er diese Produkte eines „Tötens im industriellen Maßstab“. Unter den Opfern waren Alte, 13jährige, Muslime, Christen, selbst ein Mann, der sich zum Zeichen seiner Ergebenheit einst das Gesicht von Baschar al-Assad auf die Brust hatte tätowieren lassen.
Jeden Abend kopierte Caesar die Bilder auf USB-Sticks, die er unter Lebensgefahr herausschmuggelte. Er wollte viel früher fliehen, aber machte weiter, ermutigt, unterstützt von einem eingeweihten Freund. Denn je länger er bliebe, desto umfassender könne er Zeugnis ablegen.
„Wenn ich mir Fotos ansah“, sagt er, „sprachen sie zu mir. Viele der abgebildeten Opfer wussten, dass sie sterben würden. Ihr Mund war geöffnet, und man spürte, welche Demütigungen sie erlitten hatten. Jedes Mal, wenn ich sie betrachtete, brannten sich mir diese Gesichter ins Gedächtnis ein.“
Aber Caesar verzweifelte immer wieder vor Furcht, wahlweise von seinen Befehlshabern enttarnt oder von Rebellen als Angehöriger des Militärs verschleppt zu werden.
2013 schließlich floh er.
26.948 Aufnahmen schmuggelten er und ein winziger Kreis von Helfern außer Landes. Sie zeigen knapp 6800 Ermordete. Die Zahl ergibt sich, weil von jeder Leiche mehrere Bilder gemacht werden mussten: Kopf, Oberkörper und vor allem die Todesursache: Einschusslöcher, Strangulationsabdrücke, Brandmale, Fleischwunden, Folterspuren.
Die Fotos wurden geprüft von Forensikern des FBI, von Strafverfolgern früherer UN-Tribunale und für echt befunden.
Dass all diese Bilder je bekannt wurden, war nicht geplant. Aber warum wurden sie überhaupt aufgenommen? Wieso lässt ein Regime jedes Einschussloch einzeln fotografieren, wenn man die wahre Todesursache ohnehin geheim halten will und die Leichen in geheimen Massengräbern verschwinden?
Bis weit ins Jahr 2012 hinein arbeiteten die „Militärsicherheit“, der „Luftwaffengeheimdienst“, die „Staatssicherheit“ und andere Dienste vielfach noch wie früher eher gegen- als miteinander. Um in diesem komplizierten Geflecht aus Konkurrenz und Kooperation die Übersicht zu behalten, war die interne Dokumentation offenbar wichtiger als die Vertuschung.
Die Nummern und die Fotos sind ein Leistungsnachweis der konkurrierenden Todesschwadronen. Und Caesar war ihr unfreiwilliger Buchhalter für die Bilanz.
Die Herrschenden von Damaskus fühlten sich sehr sicher, dass sie nie zur Rechenschaft gezogen würden. Und wie furchtbar Recht sie damit gehabt haben, zeigen die Folgen der Veröffentlichung vor beinahe drei Jahren: Betroffenheit in Washington, in Paris - aber keine Folgen. Die französische Regierung brachte im Sommer 2014 einen Resolutionsentwurf in den Weltsicherheitsrat ein. Damit sollte der Internationale Strafgerichtshof angerufen werden. Vor der Abstimmung sagte Gérard Araud, der französische UN-Botschafter: „Wenn heute in Syrien getötet, gefoltert und vergewaltigt wird, sind diese Gräuel nicht allein eine Folge des Bürgerkriegs. Sie werden absichtsvoll verübt im Rahmen einer bewusst gewählten Politik des Terrors und der Bestrafung. (...) Der Rat wird damit zum Ausdruck bringen, dass man sich 2014 nicht mehr so verhalten kann wie 1942 oder 1994, dass er den Rückfall in Barbarei nicht dulden wird.“
Oh doch.
Auf der Sicherheitsratssitzung am 22. Juni stimmen 13 von 15 Ländern für den Entwurf. Russland und China legen ihr Veto ein. Der russische Vertreter schickt noch hinterher, das Ganze sei doch nur ein „PR-Coup“. Caesar und die anderen verzweifeln zusehends. Wozu das alles?
Es ist das große Verdienst der französischen Journalistin Garance Le Caisne, ihm wieder ein wenig Vertrauen wenigstens in die Öffentlichkeit zurückgegeben zu haben. Ein halbes Jahr lang hat sie ihn gesucht, hat ermittelt, hat nie aufgegeben, seine Vertrauten zu bewegen, um ihn zum Sprechen zu bringen. Bis sie eines Nachts, bei einem der zahllosen Skype-Telefonate mit seinem wichtigsten Helfer plötzlich eine unbekannte Stimme hört: „Guten Abend! Ich bin Caesar. Wenn Sie wollen, können wir uns treffen.“
Es werden viele Treffen, insgesamt 40 Stunden Interview, in denen Caesar alle Details seiner Arbeit beschreibt, Skizzen der Orte anfertigt, auf Satellitenkarten seine täglichen Wege nachzeichnet. Gleichzeitig tut er alles, um seine Identität zu schützen, selbst seine Handschrift geheim zu halten. Denn nichts hat sich geändert an den Machtverhältnissen in Damaskus. Garance Le Caisne, die seit 1990 vor allem für „Le Journal du Dimanche“ und „L’Observateur“ aus dem Nahen Osten berichtet hat getan, was viel zu wenige von uns heute noch tun: Beharrlichkeit zu zeigen, an einer Ermittlung dranbleiben, wenn es um etwas wirklich Wichtiges geht. Gewissermaßen hat sie Caesars Überzeugung, die Welt müsse doch erfahren, was geschieht, weitergeführt. Denn gerade in diesen Zeiten, in denen jeder nachplappert und verbreitet, was er auf Facebook gerade gelesen hat, ist es essentiell, wenn Journalisten fortfahren, dem Geschehen auf den Grund zu gehen.
Was Caesar gerettet hat und was die Autorin im Kontext erzählt, ist eine forensische Kostbarkeit. Es ist ein Beweis! Und ich weiß, wie schwer es ist, Beweise zu finden für das, was in Syrien geschieht. Dies ist etwas, was man nicht einfach beiseite schieben kann. Die Täter und ihre Helfer können nur auf unser Vergessen bauen. Und davor rettet Garance diesen unter Lebensgefahr ans Tageslicht gebrachten Fundus. Dafür gebührt ihr unser Dank, unser Respekt – und der Geschwister-Scholl-Preis, zu dem ich ihr von Herzen gratulieren möchte!
Ihr Buch „Codename Caesar - im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“ liest sich wie ein Thriller. Gleichzeitig wie ein minutiöser Ermittlungsbericht, in dem auch Überlebende der Gefängnisse das Funktionieren dieser Maschinerie erklären. Eine solche Dokumentation, sagte der britische Ermittler David Crane, der Caesar befragte, „haben wir seit den Nazis und Nürnberg nicht mehr gesehen.“ Das Entsetzen beim Lesen kommt zweifach: darüber, dass so etwas geschieht. Und dass nichts geschieht, es zu stoppen.
Man sollte meinen, dass Deutschland mit seiner eigenen Geschichte mutiger reagiert hätte auf Caesars Enthüllungen.
Aber dem ist nicht so. Seit 2011, seit erst friedliche Demonstranten erschossen wurden, seit nach und nach alles, was die Waffenarsenale hergaben, über dem eigenen Volk abgeworfen wurde, hat die deutsche Bundesregierung den stets gleichen Satz zur Lage abgegeben: Es könne keine militärische Lösung geben.
Egal, was geschehen ist, ob Ärzte gejagt und erschossen werden, ob Sarin und Chlorgas über den Städten niedergehen oder eben ein kleiner Teil der staatlichen Tötungsmaschinerie ans Licht kommt: Es könne keine militärische Lösung geben. Man müsse reden, auch mit Assad.
Der Zynismus des deutschen Außenministers kommt daher in gesetzten Worten der Vernunft. Gewiss, am Ende muss immer verhandelt werden.
Aber wie kommen wir dahin? Assad und seine Verbündeten in Moskau und Teheran hören sich seit fünf Jahren die Bitten des Westens an, doch mit dem Morden in Syrien aufzuhören. Währenddessen tun sie nichts anderes, als die militärische Lösung für den unbotmäßigen Teil des syrischen Volkes zu vollstrecken.
Das Erschütternde ist nicht einmal, was Deutschlands Außenminister sagt. Viel mehr erschreckt einen, wie populär er damit ist.
Syrer werden gequält und getötet, weil sie die elementarsten Rechte fordern, die wir in unseren Sonntagsreden gern hochhalten. Doch sich dafür einzusetzen, dass auch Menschen drei Flugstunden entfernt diese Rechte gebühren - Fehlanzeige.
Wir sollten uns heraushalten aus allem. Das ist die Meinung der Mehrheit, und ihr folgen die Regierenden.
Warum berührt uns die im Februar 1943 vom „Volksgerichtshof“ angeordnete Ermordung der Geschwister Scholl bis heute?
Weil sie eine klare Antwort hatten auf die Wirklichkeit damals. Eine einfache Antwort: Dass es Unrecht ist, was geschehe. Furchtbares Unrecht. Dass die nationalsozialistischen Machthaber Unschuldige ermordeten, im Ausland wie im Inneren.
Auch Caesar hat eine einfach Antwort auf die Frage, warum er unter Lebensgefahr die Bilder kopierte: „Damit die Mörder sich verantworten müssen und verurteilt werden.“
Die Mitglieder der Weißen Rose damals haben nicht zur Waffe gegriffen, sondern: zu Flugblättern. Zur unschuldigsten Form des Widerstands.
Was nichts daran änderte, dass sie dafür umgebracht wurden.
Heute nun wäre es für uns vollkommen gefahrlos möglich, das furchtbare Unrecht in Syrien zu benennen, anzuprangern, ein Ende dessen wenigstens zu fordern.
Aber es interessiert uns nicht einmal mehr. Wir, die nichts zu fürchten hätten, die dank Caesar, dank Garance Le Caisne und anderen sehr genau wissen können, was geschieht - wir wollen das gar nicht mehr wissen. Das verfügbare Mehr an Informationen hat einen paradoxen, immunisierenden Effekt: Das Publikum möchte nicht mehr gestört werden in seiner heimeligen Ignoranz.
Denn wer erhebt heute die Stimme gegen Baschar al-Assads Massenmord am eigenen Volk?
Wo ist die deutsche Friedensbewegung geblieben? Deren traurige Reste immerfort nur ein Ende der amerikanischen Einmischung in Syrien fordern? Haben die sich im Land geirrt?
Angela Merkels Regierung hat mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als jedes andere europäische Land, das ja. Aber was tun wir Deutschen nun? Wir fürchten uns vor den Flüchtlingen, weil unter einer Millionen Syrern ja eine Handvoll Terroristen sein dürfte. Wobei Deutschland bislang mehr Terroristen nach Syrien exportiert hat als umgekehrt.
Wir haben Angst vor denen, die doch selber Angst haben. Die geflohen sind nicht vor dem unendlich verdünnten Risiko, einem Attentäter zu begegnen, sondern vor der sehr reellen Gefahr, in diesem Krieg zu sterben. Heute, nächste Woche, vielleicht in einem Monat.
Und auch das Morden, das systematische Auslöschen Abertausender in Syriens Gefängnissen, es geht weiter, ungestört, während wir hier sitzen, geht es weiter, einfach weiter.
© Christoph Reuter
Es gilt das gesprochene Wort.
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Dankesrede von Garance Le Caisne
Wenn Sie einverstanden sind, möchte ich diese feierliche Preisverleihung der syrischen Bevölkerung widmen. Meine Gedanken sind heute Abend bei ihr. Die Nachricht, dass ich für Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie den Geschwister-Scholl-Preis erhalten würde, verwirrte und berührte mich gleichzeitig sehr. Dies ist eine so schöne Anerkennung für all jene, die dort unten in Syrien und hier in Europa dafür kämpfen, den zu Tode gefolterten, verhungerten oder von Bomben zerfetzten Männern und Frauen eine Stimme zu geben.
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Deshalb möchte ich dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stadt München für diesen wundervollen Preis und seine großzügige Dotierung herzlich danken, ebenso möchte ich den Jurymitgliedern danken. Mein Dank geht auch an die Ludwig-Maximilians-Universität, die uns heute Abend hier willkommen heißt. Des Weiteren möchte ich dem Verlag C.H. Beck meinen ganzen Dank sagen, der sich sehr schnell zu einer Übersetzung des Buches ins Deutsche entschlossen und sich mir gegenüber so herzlich und professionell verhalten hat.
Hans und Sophie Scholl verkörperten den Willen zum Widerstand gegen das Böse. Heute verkörpert ein Teil des syrischen Volkes diesen Willen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich mich seit fünfeinhalb Jahren bis in mein tiefstes Inneres mit Syrien verbunden fühle. Viele Syrer haben mir für dieses Buch gedankt. Noch heute erhalte ich Danksagungen. Und jedes Mal kann ich nicht umhin zu antworten, dass das, was sie mir gegeben haben, viel mehr wiegt. Über Syrien zu berichten, Nachforschungen über die Barbarei des Regimes anzustellen, hat mir schwere Stunden und Nächte voller Zweifel beschert. Aber all das war ein Geschenk.
Ein Teil von mir ist in diesem Syrien verloren gegangen, aber an Menschlichkeit habe ich hinzugewonnen. Es waren Syrer, die mir dieses Geschenk gemacht haben.
Der Geschwister-Scholl-Preis ist eine schöne Anerkennung dafür. Danke.
Gegen Ende der 1930er Jahre haben hier in München Hans und Sophie Scholl jede Form von Zugeständnis abgelehnt und versucht, die Menschen wachzurütteln. Als die Revolution im März 2011 in Syrien begann, wollten Dutzende von Zivilisten gegen die Repression durch das System von Bachar Al-Assad Zeugnis ablegen. In diesem Land ohne unabhängige Medien, ohne freie Arbeitsmöglichkeiten für ausländische Journalisten, beschlossen sie sofort nach den ersten friedlichen Demonstrationen, Beweise für Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu sammeln. In der Überzeugung, dass die internationale Gemeinschaft tätig werden würde, um die Gewalt zu stoppen.
Die Weltöffentlichkeit blieb untätig, als auf Demonstranten geschossen wurde, als Panzer Plätze besetzten und Dörfer, die sich nicht unterwerfen wollten, umstellten. Die Welt blieb untätig, als Raketen und Bomben auf Wohnviertel in den von der bewaffneten Opposition gehaltenen Zonen fielen. Woraufhin sich das Regime stark genug fühlte, um mit Chemiewaffen und Fassbomben anzugreifen. Fassbomben. Wissen Sie, was eine Fassbombe ist? Ein mit Sprengstoff, Nägeln und allem möglichen Dreckszeug gefüllter Behälter, den ein Soldat abwirft, indem er ihn mit seinen Händen oder Füßen aus einem Hubschrauber stößt. Sie sind auf der Straße in Aleppo oder anderswo. Sie sehen einen Hubschrauber am Himmel, er nähert sich, verschwindet, kommt zurück und wirft seine tödliche Ladung ab. Ihnen bleibt nichts anderes, als wegzurennen, ohne zu wissen, wo die Bombe aufschlagen wird, ohne zu wissen, wo Sie sich verstecken könnten.
Syrer haben Hunderte von Zeugenaussagen verletzter Personen zusammengetragen, haben viele Stunden an Videomaterial über gezielte Bombardierungen von Krankenhäusern gefilmt, sie haben UN-Sachverständigen Dokumente zur Verfügung gestellt. Die Welt blieb untätig. Heute werfen russische Flugzeuge Streubomben auf Zivilisten und bewaffnete Rebellen. Endlich regt sich die internationale Öffentlichkeit und spricht von «Kriegsverbrechen», von «Verhandlungen», vom «Internationalem Strafgerichtshof», von «der Rückkehr Russlands auf die Bühne der Macht» …
All das ist aber nur der sichtbare Teil der Barbarei. Da sind noch die Schreie derjenigen, die in den Kerkern der Haftzentren des Regimes gefoltert werden. Der Schmerz in den Familien der Verschwundenen.
Caesar wollte ihnen Gehör verschaffen. Ebenso wie jene, die die willkürlichen Verhaftungen und die Zerstörung ganzer Dörfer dokumentierten, sagte Caesar Nein. Nein zur Repression durch das Regime, Nein zur Angst, die der Bevölkerung in mehr als 40 Jahren der Herrschaft durch den Assad-Clan eingeimpft wurde, diese Angst, die ihr Denken narkotisiert und jede einzelne ihrer Handlungen lenkt.
Als Fotografen der Militärpolizei hatten Caesar und sein Team die Aufgabe, Aufnahmen von Tat- und Unfallorten zu machen, sofern Soldaten an den Vorfällen beteiligt waren. Danach mussten sie Berichte für die Militärjustiz aufsetzen. Als die Revolution beginnt, wird Caesar von seinen Vorgesetzten angewiesen, Leichen erschossener Demonstranten und später die von in der Haft verstorbenen Gefangenen zu fotografieren. Gestorben an Folter, Hunger oder mangelnder medizinischer Versorgung.
Wie zuvor bei den Soldaten klebte er nun Fotos von Häftlingen auf Aktendeckel. Eine makabre Dokumentation als Nachweis für die Vorgesetzten, dass die «Arbeit» getan war, und den Familien Totenscheine mit dem Vermerk, ihr Angehöriger sei an «Herzstillstand» gestorben, ausgehändigt werden konnten. Als sich in der Leichenhalle eines Militärkrankenhauses immer mehr tote Körper stapeln, will Caesar desertieren. Aber einer seiner Freunde, der Aktivist Sami, überzeugt ihn zu bleiben, um weiter Beweise für die durch das Regime begangenen Verbrechen zu sammeln. In zwei Jahren, von 2011 bis zu seiner Flucht aus Syrien im Sommer 2013, gelingt es Caesar, Zehntausende von Fotos zu kopieren. Darunter 28.000 Aufnahmen von mehr als 6.000 Gefangenen. Geschundene, verhungerte, mit Brandmalen übersäte Körper. Namenlos, markiert mit einer dreistelligen, direkt auf die bloße Haut geschriebenen Kennnummer. Bis heute sind diese Bilder der eindeutigste Beweis für die systematische Anwendung von Folter durch das Regime. 2014 gehen die Fotos der Akte Caesar um die Welt und an Regierungen.
Aber die Welt bleibt untätig. Caesar war überzeugt davon, dass das Regime für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden würde. Seit seiner Flucht aus Syrien lebt er versteckt in Nordeuropa, aus Angst von den Geheimdiensten des Regimes aufgespürt zu werden.
Auf die Frage eines Verlegers, ob ich versuchen wollte, Caesar zu finden und zu interviewen, gab es nur eine Antwort. Damals im Frühjahr 2014 war der Islamische Staat zum Feindbild Nummer eins avanciert. Der IS ritt auf der Welle internationaler Untätigkeit, des politischen Vakuums in manchen syrischen Regionen, der Desorganisation innerhalb der demokratischen Opposition und rekrutierte Jugendliche zu Hunderten.
Als Kind der Globalisierung hat es der IS sehr schnell verstanden, seine barbarische Propaganda über die sozialen Netzwerke zu verbreiten. Seine Verbrechen sind dort offenkundig. Die Dschihadisten filmen Enthauptungen von Christen und Soldaten des Regimes. Sie rechtfertigen die Versklavung jesidischer Frauen in ihrem Magazin Dabiq. Sie rufen zum Selbstmord bereite Anhänger auf, in Frankreich und Belgien den Tod zu säen.
Demgegenüber spielt Bachar Al-Assad den ehrenwerten Staatsführer. Der syrische Präsident beharrt unnachgiebig darauf, dass sein Land seit fünfeinhalb Jahren in den Fängen terroristischer Gruppen sei. Die Medienauftritte des früheren Augenarztes und seiner Ehefrau Asma – der «Wüstenrose», wie die Zeitschrift Vogue sie im März 2011 nannte – vermitteln das Bild eines zivilisierten und bezaubernden Paares. Bachar Al-Assad wird nicht müde, es zu wiederholen: «Ich oder das Chaos.» Eine als Alternative verkleidete Mahnung, als ob den Syrern nur die Unterwerfung unter ihn oder den IS zur Wahl stünde. Dabei sei daran erinnert, dass Millionen von Syrern einen demokratischen Staat anstreben. Sie unterstützen weder den Präsidenten noch den IS.
Seit fünfeinhalb Jahren trägt der syrische Staat die Verantwortung für 80% aller getöteten Zivilisten. Bombardements, Machtmissbrauch, Verschleppung, Chemiewaffenangriffe… Diese massenhaft begangenen Gräueltaten sowie die Unfähigkeit der Weltgemeinschaft sie zu unterbinden nähren den Extremismus. Und lassen das syrische Volk selbst in Vergessenheit geraten.
Caesar zu suchen, ihn vom Sprechen zu überzeugen, war ein Weg, diesem Volk eine Stimme zu geben. Es ging nicht nur darum, ein Buch über einen ehemaligen Militärfotografen zu schreiben. Seine Worte sollten ihren Widerhall in den Worten von Überlebenden der Inhaftierungslager finden. Jener Personen, die der Folter und Entmenschlichung entkommen waren.
Natürlich erforderte es Zeit, Caesars Vertrauen zu gewinnen. Nach einigen Monaten gelang es mir, seinen besten Freund Sami zu treffen, denjenigen, der ihn überzeugt hatte, auf seinem Posten in Damaskus zu bleiben und weiter Fotos zu sammeln. Mehrere Treffen waren nötig, um wirkliches Vertrauen herzustellen.
Mein Arabisch war nicht gut genug. Saoussen Ben Cheikh, eine treue Freundin, der ich herzlich danken möchte, und die heute Abend hier ist, übernahm die Übersetzung jedes einzelnen der langen Interviews.
Schließlich hat Sami uns die Tür zu Caesar geöffnet. Er warnte: «Achtung, Caesar hat Angst vor Fragen. Vielleicht hält er sie nicht aus, glaubt sich in einem Verhör. Dann wird er Ihnen nicht mehr antworten.» Ich verzichtete also darauf, Fragen vorzubereiten. Ich erinnere mich noch, wie Caesar den Raum betritt, in dem unsere ersten Treffen stattfinden sollten, an den Tisch, um den wir sitzen. Kaum dass er Platz genommen hat, aus der Defensive heraus, eröffnet er das Gespräch mit einer Frage: « Also los, was wollen Sie wissen? ». Ich will vermeiden, allzu direkte Fragen zu stellen und schlage ihm vor, mit dem, was er sagen möchte, zu beginnen. Caesar antwortet: «Nein, stellen Sie Fragen, das ist besser.» Ich fühlte einen langen Moment der Leere. Ich hatte keine präzisen Fragen …. Aber dann stelle ich ihm doch eine Frage, eine zweite und dritte. Für jede seiner Antworten fordere ich von ihm noch genauere Angaben, Daten, Namen. Nach einer Weile schaut er mich an und fragt scharf: «Ist das hier ein Verhör, oder was?» Ich dachte schon, ich hätte ihn verloren. Dass alles vorbei wäre. Ich hatte drei Seiten mit Notizen. So gut wie nichts.
Rückblickend glaube ich, dass wir unsicher waren, der eine wie der andere. Vielleicht war er deshalb auch bereit, sich doch wiederzutreffen – mit Saoussen. Wir wussten beide, dass es keine andere Möglichkeit gab. Dass wir keine Wahl hatten. Für ihn konnte es nicht sein, dass er all diese Fotos umsonst kopiert und sich in Gefahr gebracht hatte. Für mich war es undenkbar, dass er nicht berichten würde. Wochenlang hatte ich Zweifel, aber im Grunde genommen wusste ich, dass dies der einzige Weg war: Er musste sprechen, ich musste ihm zuhören und von der Realität in Syrien berichten.
Ich wusste auch, dass die Nachforschungen mit seinen mir anvertrauten Aussagen nicht beendet sein würden. Treffen mit Überlebenden würden folgen müssen.
Nie hätte ich geglaubt, dass es so schwer sein könnte, diesen Beruf auszuüben. Stundenlang den Stift fest in der Hand zu halten und dem Unaussprechlichen zuzuhören. Das längste Interview dauerte sechs Stunden. Ohne aufzustehen, nur mit ein paar Gläsern Tee.
Wenn Zeugen Ihnen Grauenvolles berichten, ist es nötig – damit Sie nicht selbst vom Horror erfasst werden – sich an Fakten zu halten. Im Konkreten zu bleiben, bei den Einzelheiten, selbst den widerwärtigsten. Schmerz gibt es überall auf der Welt, aber es ging darum, Worte für das Unglück in Syrien zu finden. Damit das gelang, klammerte ich mich an Fakten, wie man sich an einen Rettungsring oder einen Baum klammert, um nicht unterzugehen. Immer weitermachen, immer noch genauere Angaben einfordern.
Paradoxerweise ist es einfacher jemandem zuzuhören, der weint, als jemandem der seinen Abstieg in die Hölle tränenlos erzählt, dessen Denken und Fühlen aber, von den Schergen gebrochen, nicht mehr von dieser Welt zu sein scheint. Durch Tränen wird der Schmerz über die Barbarei ein wenig erträglicher.
Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich noch journalistisch arbeite. Ob ich überhaupt legitimiert bin, dieses Buch zu schreiben. Ob meine Wut nicht von einem Mangel an – in unserem Beruf notwendiger – Distanz herrührt. Aber wie anders handeln? Ich habe es nicht gekonnt.
Nachdem ich den letzten Punkt gesetzt hatte, wusste ich schon, dass das Buch unvollständig geblieben war. Manche Informationen müssten noch eingehender überprüft, weitere Recherchen angestellt werden. Aber es ist da, dieses Buch, da für die Syrer.
Anwälte setzen bereits in gewisser Weise die Arbeit fort. Sie versuchen in Europa und den USA von Caesars Fotos ausgehend, Klagen einzureichen. Ende Oktober hat ein Franzose syrischer Herkunft vor französischen Gerichten auf Zwangsverschleppung geklagt. Vor drei Jahren verhafteten die Geheimdienste des Regimes seinen Bruder und seinen Neffen in Damaskus. Nach drei Jahren der Suche, der Telefonate und Mails um herauszubekommen, was aus ihnen geworden ist, hat dieser Mann seine Angst vor Repressalien überwunden, das Regime öffentlich kritisiert und gefragt, ob sein Bruder Mazen und sein Neffe Patrick noch am Leben seien, und wo sie gegebenenfalls festgehalten werden. Die Pariser Staatsanwaltschaft hat vor kurzem Ermittlungen aufgenommen. Eine bislang einmalige Maßnahme und eine Hoffnung für viele Syrer.
Im Flugblatt II der Weißen Rose ist zu lesen: «Ein jeder will sich von einer solchen Mitschuld freisprechen, ein jeder tut es und schläft dann wieder mit ruhigstem, bestem Gewissen. Aber er kann sich nicht freisprechen, ein jeder ist schuldig, schuldig, schuldig!» Diese Worte sind immer noch aktuell.
Heute Abend, denke ich an die Syrer, die die Seiten meines Buches bevölkern, die der Angst getrotzt und zu sprechen gewagt haben:
an Ahmad al-Riz, der die Leichname mit Nummern versehen musste,
an Abou al-Laith, dessen Willen im Dunkel einer Zelle gebrochen wurde,
an Mazin al-Hamada, der sein Leben dem Ziel verschrieben hat, die Verbrechen anzuprangern,
an Munir, der das Grauen ertrug, um Zeugnis ablegen zu können,
an Wafa und ein T-Shirt, das sie gefunden und einer dreijährigen Mitgefangenen geschenkt hat,
an Ahmad, der unter Caesars Fotos eines von seinem Bruder entdeckte.
Ich denke an Zakaria und Imran. Ich denke an Imad und Hasan. Ich denke an Sami und Caesar.
Ich danke ihnen, sie begleiten uns heute Abend.
Zum Schluss möchte ich Sie bitten, gemeinsam eine Schweigeminute einzulegen. Im Gedenken an die Syrer, die für die Revolution starben; an die Männer, Frauen und Kinder, die im Krieg ums Leben kamen und an all jene, die noch heute gefangen gehalten werden.
Danke, dass Sie heute Abend für sie da sind.
Mein Dank geht nochmals an den Börsenverein des deutschen Buchhandels und an die Stadt München.
© Garance Le Caisne
Übersetzung aus dem Französischen von Katrin Scharte-Fischer
Es gilt das gesprochene Wort.
Die Rede ist urheberrechtlich geschützt. Wenn Sie die Rede oder Teile daraus für eine Veröffentlichung nutzen möchten, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des Börsenvereins - Landesverband Bayern. Wir sind Ihnen bei der Klärung der Rechtefrage gerne behilflich.
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Dankesrede von Garance Le Caisne (französisch)
Je souhaiterais, si vous êtes d’accord, dédier cette cérémonie aux Syriens. Ce soir je pense à eux. Lorsque j’ai appris que j’allais recevoir le prix Geschwister Scholl pour Codename Caesar, Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie, j’ai eu comme un sentiment de vertige. J’ai aussi été très émue.
C’est une si belle récompense pour tous ceux qui se battent, là-bas en Syrie, et ici en Europe, pour faire entendre la voix des hommes et des femmes, torturés à mort, affamés ou déchiquetés par une bombe.
Mehr…
Je voudrais donc remercier chaleureusement la publishers and booksellers association pour ce prix prestigieux et sa donation généreuse, je voudrais remercier les membres de son jury et ainsi que la ville de Munich. Merci à l’Université pour nous accueillir ce soir.
J’aimerais aussi dire toute ma gratitude à la maison d’édition CH Beck qui a rapidement décidé de traduire le livre en Allemand, qui a été si chaleureuse et professionnelle avec moi.
Hans et Sophie Scholl ont incarné l’esprit de résistance au Mal. C’est ce qu’incarne aujourd’hui une partie du peuple syrien. C’est peut-être la raison pour laquelle, depuis cinq ans et demi, la Syrie fait partie de mon intimité.
De nombreux Syriens m’ont dit merci pour ce livre. Encore aujourd’hui, je reçois des remerciements. A chaque fois, je ne peux m’empêcher de répondre que ce qu’ils m’ont apporté eux, va au-delà. En « couvrant » la Syrie, comme on dit dans notre jargon, en enquêtant sur la barbarie du régime, j’ai traversé des heures difficiles, des nuits de doutes. Mais cela a été un cadeau.
J’ai perdu une partie de moi-même dans cette Syrie. Mais j’ai gagné une part d’humanité. Ce sont des Syriens qui me l’ont offerte.
Alors ce prix Scholl, c’est une belle reconnaissance de tout cela. Merci.
A la fin des années 30, ici, à Munich, Hans et Sophie Scholl ont refusé toute compromission et ont tenté d’éveiller les consciences.
En mars 2011, quand la révolution éclate en Syrie, des dizaines de civils ont voulu témoigner de la répression de la dictature de Bachar el Assad. Dès les premières manifestations pacifiques, dans ce pays sans médias indépendants et où les journalistes étrangers ne peuvent travailler librement, ils ont décidé de collecter des preuves des crimes commis contre les civils. Persuadés que la communauté internationale bougerait pour faire arrêter la violence.
Le monde n’a pas bougé devant les tirs sur les manifestants puis devant les chars qui ont occupé les places et quadrillé les villages insoumis.
Le monde n’a pas bougé quand des missiles et des bombes ont été envoyés sur des quartiers d’habitation dans les zones tenues par l’opposition militarisée.
Alors, le régime s’est senti suffisamment puissant pour lancer des attaques chimiques et des barils de TNT. Des barils. Vous savez ce qu’est un baril ? Un récipient rempli d’explosif, de clous, de toutes sortes de cochonneries, qu’un soldat largue d’un hélicoptère, en le poussant de ses mains ou de ses pieds.
Quand vous êtes au sol, à Alep ou ailleurs, vous voyez l’hélicoptère voler au-dessus, il s’approche, il repart, revient et largue sa cargaison mortelle. Il ne vous reste plus qu’à courir, sans savoir où elle va tomber, sans savoir où vous cacher.
Des Syriens ont collecté des centaines de témoignages de personnes blessées, filmé des heures de vidéos de bombardements visant des hôpitaux, ils ont apporté des documents aux experts des Nations-Unies.
Le monde n’a pas bougé. Aujourd’hui, les avions russes larguent des bombes à sous munition sur les civils et les rebelles armés. Le monde s’agite enfin, on parle de « crimes de guerres », « négociations », « cour pénale internationale » « retour de la puissance russe » …
Tout ça, ce n’est que la partie émergée de la barbarie. Il y a les cris des torturés dans les sous-sols des centres de détention du pouvoir. La douleur des familles de disparus.
César a voulu faire entendre leur voix. Comme ceux qui ont documenté les arrestations arbitraires et les destructions de villages, César a dit Non. Non à la répression du régime, non à la peur inoculée dans la population par 40 ans de règne du clan Assad, celle qui anesthésie votre pensée et guide chacun de vos gestes.
Photographe au sein de la police militaire, César et son équipe étaient chargés de prendre en photo les scènes d’accidents ou de crimes impliquant des soldats. Ils devaient ensuite établir des rapports pour la justice militaire. Quand la révolution démarre, sa hiérarchie lui demande de photographier des corps de manifestants tués par balles, puis ceux de prisonniers décédés en détention. Morts sous la torture, de faim ou de maladie pas soignée.
Comme avec les photos des soldats, il remplit des fiches avec les clichés des détenus. Une documentation macabre pour montrer aux supérieurs que le « travail » a bien été effectué et qui permet de délivrer des certificats de décès aux familles, prétendant que leur proche est mort d’un « arrêt cardiaque ».
Quand les corps s’accumulent dans la morgue d’un hôpital militaire, César veut déserter mais un de ses amis activistes, Sami, le convainc de rester pour collecter ces preuves des crimes du régime. En deux ans, de 2011 jusqu’à son exfiltration de Syrie à l’été 2013, César va copier plusieurs dizaines de milliers de photos.
Parmi elles, 28 000 représentent plus de 6 000 détenus. Corps suppliciés, affamés, brûlés. Sans nom, marqués de trois numéros inscrits à même la peau. Jusqu’à présent, ces clichés sont les preuves les plus étayées de la torture systématique pratiquée par le régime. En 2014, les photos du « dossier César » ont fait le tour du monde et des chancelleries.
Mais le monde n’a pas bougé. César était persuadé que le régime serait jugé pour ce qu’il avait fait. Après sa fuite de Syrie, l’homme s’est caché en Europe du Nord, de peur d’être rattrapé par les services de renseignements du régime.
Quand un éditeur m’a demandé si je voulais tenter de le retrouver et l’interviewer, cela a été comme une évidence. A cette époque, au printemps 2014, Daech s’était imposé comme l’ennemi numéro Un. Surfant sur l’inaction de la communauté internationale, le vide politique dans certains territoires syriens, la désorganisation de l’opposition démocratique, l’organisation de l’Etat islamique recrutait des jeunes par centaines.
Enfant de la mondialisation, Daech a su très vite diffuser sa propagande barbare sur les réseaux sociaux. Ses crimes y sont flagrants. Les djihadistes filment les décapitations de chrétiens ou de soldats du régime. Ils justifient l’esclavage des femmes yazidies dans leur magazine Dabiq. Ils exhortent des kamikazes à semer la mort en France et en Belgique.
En face, Bachar Al-Assad joue les dirigeants honorables. Intransigeant, le président syrien soutient que son pays est la proie de groupes terroristes depuis cinq ans e demi. Les apparitions médiatiques de cet ancien ophtalmologue et de son épouse Asma – la « Rose du désert » comme l’a baptisée le magazine Vogue en mars 2011 – donnent l’image d’un couple civilisé et séduisant.
Bachar Al-Assad ne cesse de le répéter : « C’est moi ou le chaos. » Une injonction déguisée en alternative, comme si les Syriens ne pouvaient se soumettre qu’à lui ou à Daech. Il faut pourtant le rappeler, des millions de Syriens aspirent à un État démocratique. Ils ne soutiennent ni le président ni Daech.
Depuis cinq ans et demi, l’État syrien est responsable de 80 % des civils tués. Bombardements, exactions, disparitions forcées, attaques chimiques… Ces atrocités de masse, et l’incapacité de la communauté internationale à les stopper, alimentent l’extrémisme. Et occultent le peuple syrien.
Chercher César, le convaincre de témoigner, était une façon de donner la voix à ce peuple. Parce qu’il n’était pas question d’écrire un livre seulement sur cet ancien militaire du régime. Sa parole devait faire écho à celle des survivants des centres de détention. Ceux qui ont échappé à la torture, à la déshumanisation.
Obtenir la confiance de César a demandé du temps, forcément. Au bout de plusieurs mois, j’ai réussi à rencontrer Sami, son meilleur ami, celui qui l’avait persuadé de rester à son poste à Damas afin de récupérer les photos.
Il a fallu plusieurs rencontres pour que la confiance s’installe. Mon niveau d’arabe n’était pas suffisant. Saoussen Ben Cheikh, fidèle amie que je tiens à remercier et qui est présente ce soir, a traduit chacune des longues interviews.
Sami nous a finalement ouvert la porte de César. Il avait prévenu : « Attention, César a peur des questions. Il peut mal les vivre, se croire dans un interrogatoire. Alors, il ne vous répondra plus. »
Je n’ai donc pas préparé de questions.
Je me souviens de l’entrée de César dans la pièce qui allait abriter nos premières rencontres, de la table où nous nous sommes assis. A peine installé, sur la défensive, l’homme me lance : « allez-y, que voulez-vous savoir ? »
Je me garde de lui poser des questions trop directes, je lui propose de commencer par ce qu’il souhaite dire.
César me répond : « non, posez-moi des questions, ce sera mieux. »
J’ai alors ressenti un grand moment de vide. Je n’avais pas de questions précises…
Mais je lui en pose une, deux, puis trois. A chacune de ses réponses, je lui réclame des précisions, des dates, des noms.
C’est alors qu’il me regarde et me tance : « vous faites un interrogatoire ou quoi ? »
J’ai cru que je l’avais perdu. Que c’était fini. J’avais trois pages de notes. C’est-à-dire rien.
En fait, je crois que nous étions mal à l’aise, l’un comme l’autre. C’est peut-être pour ça qu’il accepté de nous revoir avec Saoussen. L’un comme l’autre savions qu’il fallait en passer par là. Que nous n’avions pas le choix. Il ne pouvait pas avoir copié ces photos et s’être mis en danger pour rien. Je ne concevais pas qu’il ne témoigne pas. J’ai douté pendant des semaines mais au fond, je savais que c’était la seule chose à faire. Il devait parler, je devais l’écouter pour raconter cette réalité syrienne.
Je savais aussi que ces confidences n’étaient pas l’aboutissement de l’enquête. Il fallait partir à la rencontre des survivants.
Et là, jamais je n’aurais pensé qu’exercer ce métier serait si difficile. Tenir droit son stylo pendant des heures, écouter l’indicible. La plus longue interview aura duré six heures. Sans bouger, avec juste quelques verres de thé.
Quand des témoins vous racontent l’horreur, pour éviter qu’elle s’empare de vous, il faut s’en tenir aux faits. Rester sur le concret, les détails, même les plus sordides. La douleur est universelle mais il fallait décrypter le malheur syrien. Pour y arriver, s’accrocher aux faits était comme s’accrocher à une bouée, ou à un arbre, pour ne pas sombrer. Continuer d’avancer, demander plus de précisions.
Paradoxalement, il est plus facile d’écouter quelqu’un qui pleure que celui qui raconte sa descente aux enfers sans larme, alors que son esprit semble ne plus être de ce monde, annihilé par les bourreaux.
Les pleurs permettent de laisser la barbarie s’écouler un peu.
Je me suis parfois demandée si j’étais encore journaliste. Si j’étais légitime pour écrire ce livre. Si mes colères ne trahissaient pas un manque de distance, nécessaire à notre métier. Mais comment faire autrement ? Je n’ai pas su.
En mettant le point final, je savais que ce livre était incomplet. Il faudrait encore fouiller certaines informations, enquêter sur d’autres. Mais il est là, pour les Syriens.
Des avocats poursuivent déjà le travail, en quelque sorte. En Europe et aux Etats-Unis, ils cherchent à déposer des plaintes à partir des photos de César.
En France, fin octobre, un franco-syrien a porté plainte pour disparitions forcées. Il y a trois ans, les services de renseignements du régime ont arrêté son frère et son neveu à Damas. Après trois ans de recherches, de coups de téléphone, de mails pour savoir ce qu’ils sont devenus, cet homme a réussi à dépasser sa peur des représailles pour attaquer publiquement le régime et demander si Mazen, son frère, et Patrick, son neveu, sont encore en vie, pour savoir où ils sont détenus. Le parquet de Paris vient d’ouvrir une information judiciaire. C’est une première et un espoir pour beaucoup de Syriens.
Dans le tract II Hans Scholl et Alexander Schmorell ont écrit: « chacun rejette sur les autres cette faute commune, chacun s’en affranchit et continue à dormir, la conscience calme. Mais il ne faut pas se désolidariser des autres, chacun est coupable, coupable, coupable ! »
Ses mots sont toujours d’actualité.
Ce soir, je pense aux Syriens qui peuplent les pages de ce livre, qui ont bravé la peur et ont osé parler.
Ahmad el Riz, fidèle et présent dans la salle
Abou el Leith, dont l’esprit a été fracassé au fond d’une cellule
Mazen el Hammada qui ne vit plus que pour dénoncer les crimes
Mounir qui est allé au bout de l’horreur pour témoigner
Wafa et le tee-shirt qu’elle avait trouvé pour sa compagne de cellule de 3 ans
Ahmed qui a retrouvé son frère parmi les photos de César. Je pense à Zakaria et Imran.
Je pense à Imad et Hassan.
Je pense à Sami et César.
Je les remercie. Ils nous accompagnent ce soir.
Pour terminer, j’aimerais que nous observions une minute de silence pour les Syriens morts pour la révolution ; pour les hommes, les femmes et les enfants décédés dans la guerre et pour tous ceux qui sont détenus aujourd’hui.
Merci d’être là pour eux ce soir. Merci encore à la publishers and booksellers association et à la ville de Munich.
© Garance Le Caisne
Es gilt das gesprochene Wort.
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