Joe Sacco, geboren 1960 in Malta, wuchs in Australien und in den USA auf. An der Universität Oregon studierte er Journalismus. Er gilt als der Pionier der Comic-Reportage. Seit den 1990ern bereist er die Welt und berichtet als zeichnender Journalist aus Krisen- und Kriegsgebieten. Große Aufmerksamkeit erregten seine Reportagen über den Nahostkonflikt und den Bosnienkrieg. In weiteren ausführlichen Arbeiten widmete er sich dem Schicksal afrikanischer Migranten auf Malta, tschetschenischen Flüchtlingen im südlichen Russland, U.S. Marines im Irak und der Armut im ländlichen Indien. Joe Sacco lebt in Portland, Oregon.
Preisträger 2021
Joe Sacco
Wir gehören dem Land
Aus dem Englischen von Christoph Schuler
Edition Moderne, 2020
ISBN: 978-3-03731-198-1
Autor
Begründung der Jury
Von München, New York, Montreal oder Portland (Oregon) aus gesehen leben die Dene am Ende der Welt, in bis heute kaum mit Straßen erschlossenen Gegenden der Nordwest-Territorien Kanadas. Die Dene selbst sehen sich mitten in einer Welt leben, von der sie sich nicht abgrenzen, wenn sie dazu nicht gezwungen werden. Das zeigt schon ihr Name: Dene heißt einfach Volk. Der deutsche Titel von Joe Saccos Buch bringt ihre Weltsicht auf eine Formel, die wie ein Bekenntnis aussieht, aber für die Dene eine Selbstverständlichkeit ausdrückt: „Wir gehören dem Land“. Diese Ansicht ist das Gegenteil des Besitzindividualismus, mit dem die weißen Europäer und ihre Abkömmlinge in Übersee seit Jahrhunderten rechtfertigen, dass sie ihren Einflussbereich über die gesamte Erdoberfläche ausdehnen und die von ihnen vorgefundenen Völker zur Anpassung nötigen oder verdrängen. Das durch Bearbeitung des Landes geschaffene Privateigentum macht zu seinem Schutz die Aufteilung der Welt in Staaten notwendig: So hat der englische Philosoph John Locke den Kolonialismus begründet. In der Sicht der Dene kehrt diese Lizenz zur Ausbeutung und Privatisierung die natürlichen Verhältnisse um. Um sich und ihre Kinder so zu versorgen, wie sie es von ihren Vorfahren gelernt haben, sind sie auf Zusammenarbeit angewiesen, mit dem Land und miteinander. Man entnimmt dem Land, was man zum Leben braucht, und muss ihm dafür etwas zurückzahlen. So sagt es Saccos Originaltitel: „Paying the Land“.
Mehr…
Joe Sacco ist ein Pionier. Er hat eine literarische Gattung erfunden und ihr auch selbst einen Namen gegeben: „Comic-Journalismus“. Von Portland aus reist er in Kriegs- und Krisengebiete. Er hält sich dort lange auf und nimmt sich nach der Rückkehr noch mehr Zeit, um in eine Form zu bringen, was er erfahren hat. Sein Journalismus arbeitet sozusagen zeitversetzt, nimmt von vornherein eine historische Perspektive ein. Er ist ein Bildberichterstatter neuen Typs: Indem er zeichnet, kann er mehr aufzeichnen als Fotografen, aber auch als Reporter, die nur Text produzieren. Zeugenberichte sind seine wichtigste Quelle, die er durch historische Recherchen und durch den Augenschein ergänzt. Auch die Zeugenschaft selbst ist ein Thema, und Joe Sacco, der Autor, kommt als Zeuge der Zeugnisse in seinen Bildberichten vor.
Bekannt wurde Sacco mit „Palestine“ (1993/95, deutsch 2004). Dem Bosnienkrieg widmete er zwei Bände („Safe Area Gorazde“, 2000, deutsch 2010; „The Fixer: A Story from Sarajevo“, 2003, deutsch 2015). Mit „Wir gehören dem Land“ erweitert er seinen Berichtsradius sowohl geographisch als auch thematisch. In den Siedlungsgebieten der kanadischen First Nations studiert er die Verheerungen zweier Kriege anderer Art, die schon lange andauern und allein durch den guten Willen der Parteien nicht beizulegen sind. Dort erreicht der Kampf gegen die Natur noch einmal epische Dimensionen, den der Mensch zur Gewinnung fossiler Brennstoffe führt. Und die Behandlung der einheimischen Völkerschaften durch den kanadischen Staat, der in zivilisatorischer Mission Besitz am Land und an den Menschen ergriff, ist von amtlichen Stellen inzwischen selbst als eine Art von Völkermord eingestuft worden, als kultureller Genozid.
Sacco klagt nicht an. Er dokumentiert, lässt die Menschen sprechen und das Land. Bei den Dene wird darüber beraten und gestritten, wie sie mit den Gefahren und Chancen umgehen sollen, welche die Eingliederung ihrer Heimat in den Verwertungskreislauf des globalen Kapitalismus erzeugt. Die Folgen der Umweltzerstörung und des Kolonialismus sind zwei der großen Themen unserer Zeit. Das Buch von Sacco regt zu grundsätzlichen Gedanken an, indem es eine Fülle präziser, in emphatischem Sinne lokaler Informationen bereitstellt, und ist im Sinne des Preises geeignet, "dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben".
Mit dem Vorschlag, erstmals in der Geschichte des Geschwister-Scholl-Preises ein Werk der Graphic Non-Fiction auszuzeichnen, möchte die Jury auch der Bedeutung Rechnung tragen, die der gezeichneten Zeitgeschichte in der historisch-politischen Aufklärung und Vermittlung zugewachsen ist, insbesondere in der Arbeit mit Jugendlichen.
…Weniger
Statement of the Jury
Viewed from Munich, New York, Montreal or Portland (Oregon), the Dene live at the end of the world, in Canada’s still largely inaccessible Northwest Territories. The Dene consider themselves to be living in the midst of a world from which they do not distance themselves, unless compelled to do so. Their name illustrates this world view. Dene simply means people. The German title of Joe Sacco’s book “Wir gehören dem Land” [We belong to the land] conveys this world view as an equation akin to a creed, but which in the Dene’s eyes is self-evident.” This view is the opposite of the possessive individualism by which white Europeans and their descendants overseas have for centuries justified the expansion of their influence across the entire surface of the earth, subjugating or displacing the indigenous peoples in the process. The private property created through the appropriation of land requires the division of the world into states in order to protect it. The English philosopher, John Locke justified colonialism on this contention. In the Dene’s view, this licence to exploit and privatise the land reverses natural conditions. To secure their and their children’s livelihood as they learned from their ancestors, they depend on cooperation, with the land and with each other. You take from the land what you need to live and in return, you must pay something back. As Sacco’s original English title says: “Paying the Land.”
Mehr…
Joe Sacco is a pioneer. He invented a literary genre and even coined a name for it: “Comic journalism.” From Portland, he travels to war and crisis zones. He remains there for long periods and on his return, takes even longer to give form to what he has experienced. You might say that his journalism is retrospective, in that it adopts a historical perspective from the outset. He is a visual journalist of a new ilk. By drawing, he can record more than photographers, and also more than reporters who only produce text. Witness reports are his most important source, which he supplements with historical research and his own observations. The role of the witness is also addressed, and Joe Sacco, the author, features as a witness to testimonies in his visual reports.
Sacco achieved fame with “Palestine” (1993/95, German 2004). He dedicated two volumes to the Bosnian war (“Safe Area Gorazde”, 2000, German 2010; “The Fixer: A Story from Sarajevo”, 2003, German 2015). “Paying the Land” extends his reporting range in both geographical and thematic terms. In the settlement areas of the Canadian First Nations, he studies the devastation of two wars of a different kind, ones that have long persisted and cannot be resolved purely through the good will of the parties involved. There, the fight against nature is once more reaching epic dimensions, fought by human agency in the extraction of fossil fuels. And the treatment of the indigenous peoples by the Canadian government, which took possession of the land and the people, has meanwhile been officially classified as a form of genocide, that of cultural genocide.
Sacco does not accuse. He documents, letting the people and the land speak for themselves. The Dene discuss and argue over how they should tackle the dangers and opportunities unlocked by the integration of their homeland into the utilisation cycle of global capitalism. The consequences of ecocide and colonialism are two of the major issues of our time. Sacco’s book provokes a fundamental rethink by providing a wealth of detailed local information empathetically depicted, and in the spirit of the prize, it is eminently suited to “giving significant impetus to a responsible perception of the present.”
In proposing a work of graphic non-fiction for the Geschwister Scholl Prize for the first time in the award’s history, the jury would also like to pay tribute to the growing importance of pictorial contemporary history as part of historical-political enlightenment and educational work, especially in relation to young people.
…Weniger
Verleihung
Der Festakt zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises 2021 konnte Pandemie bedingt nicht stattfinden. Die Überreichung der Urkunde wurde 2022 im kleinen Kreis nachgeholt. Die 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und Klaus Füreder, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels - Landesverband Bayern e.V., überreichten als Stellvertreter der Stifter die Urkunde. Die Laudatio verfasste Andreas Platthaus.
Würdigung von Klaus Füreder
In ihrem fünften und vorletzten Flugblatt, das die Weiße Rose im Januar 1943 bereits mit Blick auf die sich abzeichnende Kriegsniederlage des Deutschen Reiches und den Untergang des Dritten Reiches verfasst hat, stehen die Werte und Prinzipien im Zentrum, die „die Grundlagen des neuen Europa“ werden sollen.
Diese lauten „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses und Schutz des einzelnen Bürgers vor Willkür“.
Wir haben derzeit leider wieder Krieg in Europa. Umso wichtiger ist es mir deshalb bei diesem Anlass auf diese elementaren Rechte der Bürger eines Landes hinzu-weisen, die insbesondere für den Buchhandel und das Verlagswesen die zentralen Pfeiler unseres gesell-schaftlichen Selbstverständnisses darstellen. Vor allem auch dann, wenn es um das Benennen und Aufdecken von Verbrechen an ganzen Völkern geht.
Das Buch von Joe Sacco „Paying the Land” oder wie es in der deutschen Ausgabe heißt „Wir gehören dem Land“, widmet sich als Werk des Graphic Journalism dem erschütternden Schicksal der Dene, einem indigenen Volk im unwirtlichen Nordosten Kanadas.
Mehr…
Die Dene, die dem sogenannten „Fortschritt“ und der Erschließung der üppigen vorhandenen Ressourcen latent im Weg standen, sollten als lästige Gemeinschaft von Ur-Einwohnern gefügig gemacht werden. Sie wurden von den kanadischen Behörden vertrieben, umgesiedelt und in katholischen Heimen umerzogen. Tausende fielen dem Alkohol und der Drogensucht anheim, ihrer traditionellen Heimat und ihres ererbten Selbstverständnisses als Hüter ihres Landes beraubt.
Im letzten Jahr, also bereits nach der Fertigstellung von Joe Saccos Buch, wurden auf dem Gelände eines ehemaligen katholischen Internats im Westen Kanadas die Leichen von 215 zwangsumgesiedelten Kindern der Dene geborgen, die unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen sind. „Paying the Land“ hat also leider auch eine schrecklich wörtliche Dimension. Kanadas Premierminister Trudeau und Papst Franziskus haben die Verantwortung für das schändliche Wirken von kanadischem Staat und katholischer Kirche mittlerweile eingestanden.
Joe Sacco hat mehrere Jahre mit und bei den Dene verbracht und hat deren Schicksal insgesamt und viele einzelne Lebensschicksale in Bild und Text in seinem subjektiven, fast expressionistischen Stil dokumentiert und sie im wahrsten Sinne des Wortes „aufgezeichnet“.
Eine schier unerschöpfliche Zahl von Skizzen und Szenen, Gesprächen und Interviews, Geschehnissen und Erlebnissen fügen sich in seinem Buch aus unterschiedlichen Perspektiven Sequenz für Sequenz zu einem Großen und Ganzen zusammen. Seite um Seite erschließt sich uns, was hier insgesamt geschehen ist.
Das ist es auch, was aus meiner Sicht als Buchhändler sein Werk in der heutigen Zeit für uns so wertvoll macht. Er erfindet in der Nachfolge und Tradition des großen Art Spiegelmann quasi ein neues Medium, das es jungen Menschen ermöglicht, ohne Vorbildung unmittelbar emotional in Zeitgeschichte einzutauchen, auf sich wirken zu lassen und im eigentlichen Sinn zu begreifen.
Und auch für die Opfer und die unmittelbar Beteiligten selbst, handelt es sich um ein einmaliges, authentisches Zeugnis ihrer Geschichte. Ein Bilderbuch gleichsam als Vermächtnis für die Kinder und Nachfahren der Betroffenen, was letztlich auch in seiner Widmung des Buches „Für die Dene.“ zum Ausdruck kommt.
Joe Sacco hat immer sehr deutlich gemacht, dass ihm die absolute Objektivität, oberstes Gebot des traditionellen Journalismus, in seiner Arbeit per se nichts bedeutet. In seinem Arbeitsethos ist viel mehr Subjektivität angesichts des konkreten Leidens der Menschen, deren Schicksal er begleitet und beschreibt, ein substantieller Teil seiner Chronistenpflicht.
Die Freiheit der Dene, ihr Bekenntnis zu ihrem ererbten Land und ihr Schutz vor staatlicher und kirchlicher Willkür stehen dabei ganz im Sinne der Weißen Rose im Zentrum seines Buches. Und es freut mich als Buchhändler auch sehr, dass die Jury mit diesem Werk erstmalig im weitesten Sinne einen „Comic“ ausgezeichnet hat und so eine gerade für die jüngeren Menschen wichtige Kunstform ehrt, die es in Deutschland im kulturellen Kanon bis dato eher schwer gehabt hat.
Wir verneigen uns deshalb bewegt und bewundernd vor Joe Sacco und seinem eindrucksvollen Werk „Paying the Land“ und gratulieren ihm von ganzem Herzen zum Geschwister-Scholl-Preis des Jahres 2021!
…Weniger
Laudatio von Andreas Platthaus
Als Joe Sacco 2011 Hamburg besuchte, zog er durch die Stadt und suchte nach Zeugnissen des Krieges, von dem er wusste, wie böse er dort gewütet hatte. Und er war beeindruckt von der hohen schlichten Stele direkt am Rathaus, die an die Opfer der Bombennächte erinnert. Joe Sacco ist immer auf der Seite der Opfer. Das hat er mit Sophie Scholl gemein, die am 28. Oktober 1942 an ihren an der russischen Front eingesetzten Verlobten Fritz Hartnagel über dessen Vorgesetzte geschrieben hatte: „Weißt Du, daß sich nicht ihr ganzes Inneres gegen dieses Naturgesetz, den Sieg des Mächtigeren über das Schwache, aufbäumt, scheint mir schrecklich und entweder entartet oder ganz und gar unempfindsam. Schon ein Kind ist mit Grauen erfüllt, wenn es den Sieg eines mächtigen Tieres über ein schwaches, und dessen Untergang miterleben muß.“
Mehr…
Solche Sätze haben durch den russischen Angriff auf die Ukraine neue Aktualität gewonnen. Wie auch die Comics von Joe Sacco. Die Schrecken des Krieges sind ein Kontinuum seiner zeichnenden Beschäftigung; manche nennen ihn einen Kriegsreporter. Das muss nicht verwundern angesichts von seinen Berichten über Bosnien in der Zeit der jugoslawischen Teilungskriege, über den Unabhängigkeitskampf der Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten, über die amerikanischen Truppen im Irak oder über Kriegsverbrecherprozesse am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ja, Sacco betätigte sich sogar 2013 als Comic-Historiker, als er ein Leporello über den 1. Juli 1916 zeichnete, den Auftakt zur Schlacht an der Somme. Es war der verlustreichste einzelne Kriegstag für die britischen Truppen im Ersten Weltkrieg, und Sacco zeigt ihn uns aus englischer Sicht (und aus Vogelperspektive) vom morgendlichen Kirchgang des Oberbefehlshabers bis zum blutigen Artilleriegemetzel in den Schützengräben zu Sonnenuntergang in einem ausfaltbaren einzigen Panoramabild von mehr als sieben Meter Breite. Aber auch seine Comicreportagen über benachteiligte Gesellschaftsteile wie die indischen Dalit, die hispanischen Hilfskräfte in Floridas Landwirtschaft oder die arbeitslos gewordenen Minenarbeiter in West Virginia sind insofern Kriegsberichte, als Sacco diese Gruppen als Opfer einer gnadenlosen merkantilen Maschinerie versteht und zeigt.
Besondere Bedeutung haben diesbezüglich für ihn in den letzten Jahren die indigenen Völker bekommen. 2011 hat er im Zuge einer Erkundung der Situation von Benachteiligten in den Vereinigten Staaten gemeinsam mit einem Freund, dem amerikanischen Reporter Chris Hedges, das Reservat von Pine Ridge, South Dakota, besucht. Ihre dortigen Beobachtungen stehen am Beginn des gemeinsamen Buchs „Days of Destruction, Days of Revolt“ von 2012, das Hedges verfasst hat, während Sacco dessen Texte illustrierte und auch einige Comicreportage-Sequenzen beisteuerte. Warum das Buch mit dem Reservatsbericht anfängt und was die Behandlung der First Nations exemplarisch nicht nur für die Vereinigten Staaten macht, begründet Hedges im Vorwort so: „Der Glaube, dass wir ein göttliches Recht auf Ressourcen, Land und Macht haben und das Recht, andere zu verdrängen und zu töten, um persönlichen und nationalen Reichtum zu erlangen, hat eine Spur verwüsteter Landschaften und unermesslichen menschlichen Leids hinterlassen, nicht nur in Pine Ridge, sondern im ganzen Land und auf dem ganzen Planeten. Was den amerikanischen Ureinwohnern angetan wurde, war die Vorlage. Was den Menschen auf den Philippinen, in Kuba, Vietnam, Irak und Afghanistan angetan wurde, wird nun endlich auch uns angetan. Diese Tyrannei und Ausbeutung ist zu unserer eigenen geworden.“
Dieselbe Botschaft verkündet „Wir gehören dem Land“, das nächste eigene Buch von Joe Sacco, für das er 2015 zu recherchieren begann und für das er den Geschwister-Scholl-Preis zugesprochen bekommen hat. Es zeigt die aktuelle Lage der kanadischen First Nations, und Sacco hat sich mit diesem Comic nicht an die jüngsten entsetzlichen Funde von fern ihrer Heimat in Zwangsinternaten gestorbenen Kindern angehängt; er war dem Thema lange vorher auf der Spur. Die meisten seiner Gesprächspartner waren geprägt von eigenen Erfahrungen als staatlich verschleppte Kinder, und manche von ihnen werfen der kanadischen Politik im zwanzigsten Jahrhundert den Versuch eines Genozids vor. „In den Geschichtsbüchern hätte sich das nicht gut gemacht“ – was so im Preisträgerbuch aus dem Mund von Willard Hagen hören, ist die Motivation für Joe Sacco gewesen, selbst ein Geschichtsbuch zu verfassen, in dem davon erzählt wird: ein Geschichtenbuch, bestehend aus dem, was man ihm im Hohen Norden erzählt hat. Hagen ist Unternehmer und indigener Kanadier, geboren in Inuvik, der größten kanadischen Stadt oberhalb des nördlichen Polarkreises, aber heute lebt er in Yellowknife, der Hauptstadt der Northwest Territories, jenes riesigen Gebiets von der dreifachen Größe Deutschlands, dessen Namen sich jeglicher Identität verweigert, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass es direkt der Zentralregierung in Ottawa unterstellt ist – in Inuvik oder auch Yellowknife und überall sonst in den Nordwest-Gebieten hat man also nicht allzu viel zu sagen.
Dabei gäbe es dort viel zu hören, und das hat Joe Sacco getan, als er vor sechs Jahren zweimal dorthin reiste. Die Einwohner der Northwest Territories zählen zwar nur etwas mehr als vierzigtausend, aber die Hälfte davon gehört den First Nations an, siedelt also seit Jahrtausenden dort. Nein, das ist falsch: Siedeln, das tun sie erst seit Jahrzehnten, denn vorher belebten sie das Gebiet als Nomaden, fischten und jagten und verdankten alles, was sie besaßen, dem Land. Ein Verständnis von Grundeigentum im uns vertrauten Sinne besaßen sie nicht. Woraus sich der deutsche Titel des Buchs erklärt, für das Joe Sacco den Geschwister-Scholl-Preis erhält: „Wir gehören dem Land“ – im Gegensatz zum in Europa oder Saccos amerikanischer Heimat gebräuchlichen Auffassung, dass Land den Menschen gehörte. Der englische Titel des Comics lautet allerdings „Paying the Land“. Er beschreibt, dass seine Einwohner sich in der Schuld des Landes sehen. Und was diese Einwohner, das Volk der Dene, daraus heute für Schlüsse ziehen, das beschreibt Joe Sacco. Nein, wieder falsch: Das bezeichnet er. Die Sprachschwierigkeit ist selbst bezeichnend.
Joe Sacco – das ist seit der Bekanntgabe der Vergabe des diesjährigen Geschwister-Scholl-Preises vor zwei Monaten oft genug und auch heute Abend zur Genüge wieder betont worden – der erste Comiczeichner, der diese prominente Auszeichnung zugesprochen bekommen hat. Er ist aber noch mehr als das: ein Journalist, durch Ausbildung und Selbstverständnis, und die Prämierung von Journalisten hat eine schöne Tradition bei diesem Preis, von Walter Dirks (1983) über Heribert Prantl (1994), Anna Politkovskaja (2007), Roberto Saviano (2009) und Glenn Greenwald (2014) bis zu Ahmet Altan (2019). Politkovskaja war schon ermordet, als ihr „Russisches Tagebuch“ hier in München prämiert wurde, Saviano konnte seinen Preis nur unter Polizeischutz entgegennehmen, weil die Mafia ihn ermorden will, und Altan saß vor drei Jahren noch in einem türkischen Gefängnis. Da ist Joe Sacco besser dran, und dazu können wir ihm und uns nur gratulieren. Traurig dagegen ist, dass man sich pandemiebedingt nicht bei der Preisverleihung Auge in Auge gegenübersitzen kann. Wie Sacco im Jahr 2015 Willard Hagen gegenübersaß.
Traurig auch deshalb, weil Joe Sacco ein wunderbarer Gesprächspartner ist. In seinen Comics tritt er dagegen anders auft: nicht offen, sondern scheinbar verschlossen. Kein Mensch kann der ihn verkörpernden Comicfigur ansehen, wohin ihr Blick fällt. Schon die erste Seite der von 1993 bis 1995 erschienenen Heftserie „Palestine“, dem Beginn von Joe Saccos Arbeit als Comicreporter, zeigt ihn mit jenen charakteristischen Brillengläsern, die er fortan in allen seinen Reportagen tragen wird: undurchsichtig weiß eingefärbt. Das ist so geblieben bis in seine bislang jüngste Arbeit, jenen Band, der nun prämiert worden ist. Es ist, als schottete sich der Beobachter selbst von allen Beobachtungen ab. In Wahrheit aber sind seine Augen vielmehr überall im Bild, sogar auf sich selbst gerichtet: Der Sacco der Comics trägt eine Spiegelbrille, die deutlich macht, dass da ein Reporter nicht zuletzt sich selbst reflektiert. Schaute die Figur dagegen uns als Leser der jeweiligen Reportage an, fiele sie aus der Rolle, denn der diegetische Joe Sacco gehört ganz jener federleicht gezeichneten Welt an, mittels derer der reale Joe Sacco von unserer schwergezeichneten Welt berichtet.
Diese Verdoppelung seiner selbst zu Autor und Figur unterstreicht Saccos subjektiven Blick als Berichterstatter: „Ich für meinen Teil akzeptiere die Implikationen subjektiver Berichterstattung und ziehe es vor, sie hervorzuheben“, hat er festgestellt. „Da es schwierig ist (wenn auch nicht unmöglich), mich selbst aus einer Geschichte auszuradieren, versuche ich das gar nicht erst. Die Wirkung ist, journalistisch gesprochen, befreiend. Indem ich in meiner eigenen Arbeit zur ‚Figur‘ werde, gebe ich mir die journalistische Erlaubnis, auch meine Interaktionen mit jenen Menschen, denen ich begegne, zu zeigen. Aus solchen persönlichen Gesprächen, die die meisten Zeitungsreporter leider aus ihren Artikeln heraushalten, kann man viel über Menschen lernen. (Die Geschichten, die Journalisten beim Abendessen erzählen und bei denen es in der Regel um ähnliche Interaktionen geht, sind oft interessanter und aufschlussreicher als das, was dann in ihren Texten steht.)“ Dementsprechend bezeichnet Sacco seine einzige Reportage, in der er selbst nicht auftritt, „Hebron: A Look Inside“, erschienen 2001 in „Time Magazine“, als sein missglücktestes Stück Comicjournalismus, weil er dort lediglich „objective, tit-for-tat reporting“ betrieben habe, wie man es ihn in der Journalistenschule der Universität von Oregon gelehrt hatte. Unparteiisches, ausgewogenes Reportieren aber ist Joe Saccos Sache nicht.
Das könnte man angesichts des gemeinhin anerkannten Idealbildes seines Berufs für unangebracht halten, und in der Tat wird Saccos Leistung als Journalist seit beinahe dreißig Jahren immer wieder in Frage gestellt, weil er eben Comicreportagen zeichnet. In seinen eigenen Worten: „Bei Journalismus in Comicform wird es immer einen Unterschied zwischen jenen Dingen geben, die überprüft werden können, wie z. B. ein auf Tonband aufgenommenes Zitat, das darin wiedergegeben wird, und solchen Dingen, die sich einer Überprüfung entziehen, wie z. B. eine Zeichnung, die vorgibt, ein bestimmtes Geschehen darzustellen. Zeichnungen sind selbst dann Interpretationen, wenn es sich dabei um sklavische Abbilder von Fotografien handelt, von denen man ja im Allgemeinen annimmt, dass sie einem wirklichen Moment buchstäblich entsprechen. Aber eine Zeichnung hat nichts Buchstäbliches an sich. Ein Comiczeichner setzt Elemente mit bestimmten Absichten zusammen und platziert sie interessegeleitet auf eine Seite. (...) Es ist diese Auswahl, die Comics zu einem grundsätzlich subjektiven Medium macht.“
Diese Ausführung entstammt wie schon die vorige dem Vorwort zu einem 2012 erschienenen Sammelband, der im Original den programmatischen Titel „Journalism“ trägt – auf Deutsch leider zu „Reportagen“ reduziert, womit die grundsätzliche Auseinandersetzung Saccos mit dem Ideal einer ganzen Profession, das bei seiner spezifischen Arbeitsweise jedoch keinen Anspruch auf Gültigkeit mehr erheben kann, relativiert wird. Sacco fährt fort: „Das entbindet den Comiczeichner, der sich als Journalist betätigen will, nicht von seinen Pflichten. Die gängigen Verpflichtungen eines Journalisten – genau zu berichten, Zitate richtig wiederzugeben und Behauptungen zu überprüfen – gelten nach wie vor. Aber ein Comicjournalist hat noch tiefer gehende Verpflichtungen. (...) Ich versuche, Menschen und Gegenstände so genau wie möglich zu zeichnen, wann immer es geht. Alles, was akkurat gezeichnet werden kann, muss meiner Meinung nach auch akkurat gezeichnet werden – eine gezeichnete Sache muss leicht als jene reale Sache erkennbar sein, die sie darstellen soll. Es gibt jedoch Zeichnungen – insbesondere bei Szenen, die sich in der Vergangenheit abspielen und die ich nicht selbst gesehen habe –, bei denen ich zwangsläufig meine Vorstellungskraft, oder besser gesagt: meine wohlinformierte Vorstellungskraft, einsetzen muss. Damit meine ich, dass alles, was ich zeichne, den Besonderheiten einer Zeit, eines Ortes und einer Situation zu entsprechen hat, die ich zu rekonstruieren versuche. (...) Zumindest möchte ich den Lesern eine Orientierung über einen bestimmten Moment geben, aber mein eigentliches Ziel ist es, einen Augenzeugen davon zu überzeugen, dass meine gezeichnete Darstellung sein oder ihr Erlebnis im Wesentlichen wiedergibt.“
Wobei es ein Missverständnis aufzuklären gilt. Joe Sacco sitzt nicht mit einem Skizzenblock vor seinen Gesprächspartnern, sondern mit einem Notizbuch, in das er schreibt, nicht zeichnet. Er schreibt mit, was gesagt wird, und nimmt dauernd Fotos auf, und so ist ein weiteres Attribut, an dem man ihn selbst in seinen Comics erkennt, die unvermeidlich umgehängte Kameratasche. Gezeichnet wird dann nach der Rückkehr ins heimische Portland, Oregon, und zwar lange: Die Recherche vor Ort für „Wir gehören dem Land“ dauerte einige Wochen, das Umsetzen in 250 Comicseiten mehr als dreieinhalb Jahre, vom September 2015 bis zum April 2019. Man kann solche Angaben Saccos Arbeiten buchstäblich ablesen, denn seit er professionell Comics zeichnet, signiert und datiert er einzelne Seiten immer wieder in winziger Schrift, so dass er auch Zeugnis ablegt übers eigene Tun. Das steht in einem produktiven Kontrast dazu, dass Sacco in seinen Reportagecomics kaum einmal auf den Zeitpunkt der jeweils dafür absolvierten Besuche zu sprechen kommt. Man kann diese anhand der geschilderten Ereignisse und Umstände rekonstruieren, doch wie jede gelungene Form von Reportage sind seine Comics nicht nur Augenblicksschilderungen, sondern erheben Anspruch auf Gültigkeit weit über den Tag hinaus. Wer „Wir gehören dem Land“ liest, wird das rasch erkennen.
Anfangs war davon die Rede, dass sich um ein „Geschichtsbuch“ handele, und das sind alle großen Reportagenwerke von Sacco, angefangen von „Palestine“ über „Safe Area Goražde“ und „Footnotes in Gaza“ (dieser Titel ist die Untertreibung des Jahrhunderts angesichts von fast vierhundert Seiten) bis eben zu „Paying the Land“. Manchmal allerdings ist Sacco der Geschichte auch voraus: so etwa, als er 2009 nach Malta reiste, in sein Geburtsland, wohin er zurückkehrte, um für die „Virginia Quarterly Review“ über die dort anlandenden Bootsflüchtlinge aus Afrika zu berichten. Das war lange vor dem Krisenjahr 2015, das erst die meisten von uns auf jene Problematik aufmerksam machte, die Joe Sacco damals schon beschrieb. Und das trotz dem arbeitsbedingt unvermeidlichen zeitlichen Abstand zwischen seinem Besuch auf Malta und dem zweiteiligen Zeitschriftenabdruck.
Diese Abstände von der Reportagereise bis zur Reportagepublikation sind aber nicht nur dem großen Zeichenaufwand für Saccos detailreiche Seitenarchitekturen geschuldet, sondern auch den äußeren Arbeitsbedingungen eines Comicjournalisten. Sacco ist notgedrungen häufig unterwegs; und in einem von Hans Scholls letzten Briefen von Anfang 1943 gibt es eine auf ihn passende Parabel: „Ich kenne einen Menschen, der überall, wo er hinkommt, man möchte sagen: den Mantel nicht auszieht, der immer der fremde Gast bleibt, obgleich er nicht schweigt und kein geheimnisvolles Wesen an den Tag legt. Wenn man mit ihm spricht, könnte man meinen, er könne nach jedem Satz ganz unverhofft die Uhr aus der Tasche ziehen und sagen: Es ist jetzt Zeit! Dieser Mensch ist mir sehr sympathisch.“ Hans Scholl hätte Joe Sacco gemocht – wegen dessen Umtriebigkeit. Ständig müssen weitere Reisen für andere Projekte unternommen und Werbeauftritte für die Bücher absolviert werden, vor allem aber braucht es den Druck eines Abgabetermins. Und dazu braucht es Abnehmer für die Reportagen. Joe Sacco ist längst der gefragteste Mann in seinem Fach, aber die Vorstellung, dass es zahlreiche Kunden gäbe, die ihm sein aufwendiges Arbeiten ermöglichten, wäre naiv.
In den Vereinigten Staaten existiert überhaupt kein Medium, das ein regelmäßiges Forum für Comicreportagen böte, und so verteilen sich Saccos Aktivitäten während seiner bald dreißigjährigen Tätigkeit auf verschiedene, allerdings höchst prominente Publikationen: die „New York Times“, den „Boston Globe“, die Zeitschriften „Time“ und „Harper’s Magazine“, die hierzulande leider fast unbekannte Vierteljahresschrift „Virginia Quarterly Review“, ja selbst das mittlerweile eingestellte Männermagazin „Details“, als dort Art Spiegelman, Saccos großes Vorbild und großer Förderer, kurzzeitig die Verantwortung für den Abdruck von Comics im flashy Umfeld der für dieses Pressesegment üblichen Hochglanzbilder trug.
Einige von Saccos wichtigsten Arbeiten als Comicreporter entstanden jedoch gar nicht für Amerika, sondern erschienen im britischen „Guardian“, und „Wir gehören dem Land“ gäbe es nicht ohne den Auftrag des 2008 von Patrick de Saint-Exupéry, Neffe zweiten Grades eines berühmten Mannes, gegründeten französischen Reportagemagazins „XXI“, das regelmäßig auch Comiczeichner beschäftigt. Für Saccos erste Berichte aus den Northwest Territories stellte Saint-Exupéry ihm gleich zweimal die für Comics üblichen dreißig Seiten in seiner Zeitschrift zur Verfügung. Großzügigeren Raum für das Genre des Reportagecomics gibt es in der ganzen Weltpresse nicht. Nur in den Büchern von Joe Sacco. Aber auch die endgültige Fassung von „Wir gehören dem Land“ erschien in Buchform als Sonderausgabe von „XXI“ zuerst in Frankreich, ein halbes Jahr vor der amerikanischen Ausgabe.
Das schönste Zitat in den Schriften von Sophie Scholl ist auch ein französisches, und es war wohl auch ihr liebstes, denn sie gebrauchte es mehrfach, erst notiert im Tagebuch am 10. April 1941, dann in Briefen an Lisa Remppis vom 14. Januar 1942 und an Fritz Hartnagel, verfasst am 3. Januar 1943, nur anderthalb Monate vor ihrer Hinrichtung: „Il faut avoir un esprit dur et le coeur tendre“ – man braucht einen unbeugsamen Geist und ein weiches Herz (die deutsche Übersetzung zerstört leider den Gegensatz der Adjektive). Sophie Scholl hatte diesen Satz des Philosophen Jacques Maritain über Otl Aicher kennengelernt. Die Gedanken und Taten von Joe Sacco künden wie auch die von Hans Scholl genau von dieser rhetorischen Opposition zwischen hart und weich, die jedoch im Zusammenspiel von Hirn und Herz einen inhaltlichen Gleichklang erzeugt, der dann einen wahrhaft oppositionellen Begriff anstimmt: Widerstand. Kein anderes Wort wird so sehr mit den Aktivitäten der Weißen Rose assoziiert.
Und keines so sehr mit den Arbeiten von Joe Sacco. In einem seiner Selbstzeugnisse hat er festgehalten: „Ich selbst habe die Geschichten ausgewählt, die ich erzählen wollte, und angesichts dieser Auswahl sollten meine Sympathien deutlich sein. Ich beschäftige mich vor allem mit denjenigen, die nur selten Gehör finden, und ich halte es nicht für meine Aufgabe, ihren Stimmen die gut ausgearbeitete Apologetik der Mainstream-Medien oder Propaganda-Organe entgegenzusetzen.“
Aber da ist noch eine andere Sympathie, und die gilt dem eigenen Medium: Wer Augen hat zu sehen und ein wenig von der Geschichte der Comics, ihrer Historiographie, weiß, der kann immer wieder feststellen, dass Sacco seinen Vorbildern Ehre erweist: Etwa Robert Crumb mit seinem berühmten „Keep on truckin’“, das in „Palestine“ witzig zitiert wird – wobei diese Szene auch an einen anderen großen Underground-Pionier, Gilbert Shelton, adressiert sein mag, der seinerseits auch schon Crumb zitierte. Was Carl Barks 1950 als Kulisse für den Kickmequick-Fluss in den Northwest Territories der Welt von Entenhausen schuf – einer Analogie zum Mackenzie River, an dem die meisten Schauplätze von „Wir gehören dem Land“ liegen –, findet sich siebzig Jahre später auch bei Joe Sacco wieder, und wenn der die Proteste der Occupy-Wall-Street-Bewegung vom Herbst 2011im Bild festhält, kann er gar nicht anders, als auch das ikonische Motiv dieser Fundamentalopposition zur kapitalistischen Gesellschaft zentral ins Bild zu setzen: die Guy-Fawkes-Maske, die wiederum Anfang der achtziger Jahre durch einen Comic populär gemacht wurde, der als Fanal einer Widerstandsbewegung gegen die Exzesse unserer Gesellschaft gilt: „V for Vendetta“ von Alan Moore und David Lloyd. Wer das alles nicht kennen sollte, möge sich an das halten, was Sophie Scholl am 26. Dezember 1942 abermals an Fritz Hartnagel schrieb: „Hast Du noch zu lesen? Ich möchte Dich immer wieder dazu anspornen, und wenn es noch so sauer wird. Wir haben ja unsern Verstand zum Denken bekommen, das ist eine Arbeit, aber kein Gefühl wird sie uns ersparen können.“ Das gilt auch für die Meisterwerke der Comicliteratur.
Aber damit genug der Ahnherren des Comic-Kenners und -Könners Joe Sacco. Allein dem Größten unter ihnen, dem bereits erwähnten Art Spiegelman, müsste man sonst im Kontext von Saccos Werk diese ganze Laudatio widmen. Dass Spiegelmans „Maus“ den Geschwister-Scholl-Preis nicht erhalten hat, ist nicht die Schuld der aktuellen Jury; verzeihen mag man es dennoch nur schwer. Aber mit Joe Sacco ist nun mehr als bloße Wiedergutmachung geleistet. Sein Schaffen geht im universellen Anspruch auf Widerstand noch über Spiegelman hinaus und steht in der besten Tradition der Geschwister Scholl. Sacco setzt die nach diesen benannte Auszeichnung somit in bestes Licht.
…Weniger
Laudatio von Andreas Platthaus (englisch)
When Joe Sacco visited Hamburg in 2011, he wandered the city looking for evidence of the war he knew had raged there. He was impressed by the tall, plain memorial to the victims of the city’s bombing, situated directly next to the town hall. Joe Sacco is always on the side of the victims. This is something he has in common with Sophie Scholl, who on 28 October 1942 wrote to her fiancé Fritz Hartnagel, who had been deployed to the Russian front, about his superiors: “The fact that their whole inner being does not rebel at that law of nature, the conquest of the weak by the strong, strikes me as dreadful and degenerate, or utterly and completely insensitive. Even a child is filled with horror at the triumph of a powerful animal over a weak one and at having to watch its doom.”
Mehr…
Such thoughts have gained new relevance following the Russian attack on Ukraine. As have the comics of Joe Sacco. The horrors of war are a continual theme of his drawings; some people call him a war reporter. This is not surprising in view of his reports on Bosnia during the Yugoslav Wars, on the Palestinian struggle for independence in the Israeli-occupied territories, on the American troops in Iraq, or on war crimes trials at the international tribunal in The Hague. In 2013 Sacco even dabbled as a comics historian when he drew an illustrated panorama about 1 July 1916, the prelude to the Battle of the Somme. It was the single most bloody day for the British army in World War I, and Sacco depicts it from a British perspective (and a bird’s eye view), from the commander-in-chief’s morning church service to the bloody artillery massacre in the trenches at sunset, in a single fold-out panoramic image more than seven metres long. But his comics journalism on disadvantaged sections of society like the Indian Dalits, Hispanic workers in Florida’s agricultural industry, or unemployed mine workers in West Virginia is also a form of war reporting, as Sacco sees and depicts these groups as victims of a ruthless mercantile system.
In this respect, indigenous peoples have gained a particular significance to him in recent years. In 2011, as part of an exploration of the situation of disadvantaged groups in the United States, he visited the Pine Ridge Reservation, South Dakota, with a friend, American reporter Chris Hedges. Their observations can be found at the beginning of the 2012 book Days of Destruction, Days of Revolt, which contains texts written by Hedges and illustrations drawn by Sacco along with a few sections of comics reporting. Hedges explains in the preface why the book begins with the report on the reservation and what makes the treatment of First Nations exemplary not only for the United States: “The belief that we have a divine right to resources, land, and power, and a right to displace and kill others to obtain personal and national wealth, has left in its wake a trail of ravaged landscapes and incalculable human suffering, not only in Pine Ridge but across the country and the planet. What was done to Native Americans was the template. It would be done to people in the Philippines, Cuba, Vietnam, Iraq, and Afghanistan, and it is now finally being done to us. This tyranny and exploitation have become our own.”
The same message is declared in Paying the Land, the latest book by Joe Sacco, which he began researching in 2015 and for which he has been awarded the Geschwister Scholl Prize. It highlights the current situation of the Canadian First Nations. With this comic, Sacco didn’t latch onto the recent horrific findings of children dying far from their homelands in forced boarding schools; he was on to the issue long before that. Most of his interviewees had been affected by their experiences as children abducted by the state, and some of them accuse Canadian politics in the twentieth century of attempting genocide. “It wouldn’t have looked good in the history books” – this quote by Willard Hagen in the prize-winning book was the motivation for Joe Sacco to write a history book himself: a book of stories consisting of what he was told in the Far North. Hagen is an entrepreneur and indigenous Canadian, born in Inuvik, the largest Canadian town north of the Arctic Circle. Today he lives in Yellowknife, the capital of the Northwest Territories, that vast territory three times the size of Germany whose name rejects any identity, which is also reflected in the fact that it is directly under the control of the central government in Ottawa. So in Inuvik or Yellowknife or indeed anywhere else in the Northwest Territories, you don’t have too much to say.
There is much to be listened to though, and listen Joe Sacco did when he visited the area on two occasions six years ago. The inhabitants of the Northwest Territories number only a little more than forty thousand, but half of them belong to the First Nations, so they have been settled there for thousands of years. No, that’s wrong: They have only been settled for decades, as before that they roamed the region as nomads, fishing and hunting, and owed everything they owned to the land. They did not have an understanding of land ownership in the sense with which we are familiar. This explains the German title of the book for which Joe Sacco has received the Geschwister Scholl Prize: “We belong to the land” – in contrast to the notion, common in Europe or Sacco’s American homeland, that the land belongs to the people. The original English title of the comic is however “Paying the Land”. This describes how the inhabitants see themselves as indebted to the land. And the conclusions that these inhabitants, the Dene people, draw from this today is what Joe Sacco describes. No, wrong again: He draws it.
As has been emphasised often enough since the announcement of this year’s Geschwister Scholl Prize two months ago and again tonight, Joe Sacco is the first comics artist to receive this prominent award. But he is also a journalist, by training and self-perception, and this prize has a long tradition of awarding journalists, from Walter Dirks (1983), Heribert Prantl (1994), Anna Politkovskaya (2007), Roberto Saviano (2009), Glenn Greenwald (2014) to Ahmet Altan (2019). Politkovskaya had already been murdered when her Russian Diary was awarded here in Munich, Saviano could only accept his prize under police protection because the Mafia wants to murder him, and three years ago Altan was still in a Turkish prison. Joe Sacco is better off in this respect, and we are happy it is so. Sadly, however, due to the pandemic, it will not be possible to sit face to face with him at the awards ceremony. Like how Sacco sat face to face with Willard Hagen in 2015.
This is also sad because Joe Sacco is a wonderful interview partner. In his comics, in contrast, he comes across differently: not open, but seemingly closed off. No one can look at the comic figure embodying him and say where his gaze falls. The very first page of the magazine series Palestine, published from 1993 to 1995 and the beginning of Joe Sacco’s work as a comics reporter, shows him with those characteristic opaque, white glasses that he would wear in all his reportages from then on. They also feature in his most recent work, the volume that has now been awarded this prize. It is as if the observer isolated himself from all his observations. In truth, however, his eyes are everywhere in the image, even on himself: The Sacco of the comics wears mirrored glasses, which makes it clear that the reporter is also reflecting on himself. If, on the other hand, the figure were to look at us as readers of the reportage, it would fall out of character, because the diegetic Joe Sacco belongs to the world of drawings, by means of which the real Joe Sacco reports on our tormented world.
This duplication of himself into author and character underscores Sacco’s subjective view as a reporter: “I, for one, embrace the implications of subjective reporting and prefer to highlight them,” he once wrote. “Since it is difficult (though not impossible) to draw myself out of a story, I usually don’t try. The effect, journalistically speaking, is liberating. Since I am a ‘character’ in my own work, I give myself journalistic permission to show my interactions with those I meet. Much can be learned about people from these personal exchanges, which most mainstream newspaper reporters, alas, excise from their articles. (The stories journalists tell around a dinner table, which generally involve similar interactions, are often more interesting and revealing than what gets into their copy.)” Consequently, Sacco calls his only reportage in which he himself does not appear, “Hebron: A Look Inside”, published in 2001 in Time magazine, a relative failure in terms of comics journalism, because there he merely engaged in “objective, tit-for-tat reporting”, as he had been taught in journalism school at the University of Oregon. But impartial, balanced reporting is not Joe Sacco’s thing.
This might be considered inappropriate given the commonly accepted ideal of his profession, and indeed Sacco’s merit as a journalist has been questioned time and again for nearly thirty years precisely because he draws comics reportages. In his own words: “There will always exist, when presenting journalism in the comics form, a tension between those things that can be verified, like a quote caught on tape, and those things that defy verification, such as a drawing purporting to represent a specific episode. Drawings are interpretive even when they are slavish renditions of photographs, which are generally perceived to capture a real moment literally. But there is nothing literal about a drawing. A cartoonist assembles elements deliberately and places them with intent on a page. (...) It is this choosing that makes cartooning an inherently subjective medium.”
This quote, like the previous one, is taken from the preface to a volume published in 2012, which bears the programmatic title Journalism. Unfortunately, the German title was reduced to “Reports”, taking away from Sacco’s fundamental discussion of the ideal of an entire profession – an ideal which can no longer claim to be valid in view of his specific working methods. Sacco continues: “This does not let the cartoonist who aspires to journalism off the hook. The journalist’s standard obligations – to report accurately, to get quotes right, and to check claims – still pertain. But a comics journalist has obligations that go deeper than that. (...) I try to draw people and objects as accurately as possible whenever possible. To my mind, anything that can be drawn accurately should be drawn accurately – by which I mean a drawn thing must be easily recognizable as the real thing it is meant to represent. However, there are drawings – particularly in scenes that take place in the past that I did not see myself – for which I must necessarily use my imagination, or, rather, my informed imagination. By this I mean that whatever I draw must have grounding in the specifics of the time, place, and situation I am trying to re-create. (...) At the minimum I want to orient readers to a particular moment, but my goal is to satisfy an eyewitness that my drawn depiction essentially represents his or her experience.”
One misunderstanding needs to be cleared up however. Joe Sacco does not sit in front of his interviewees with a sketchbook, but rather with a notebook, in which he writes, not draws. He writes down what is said and takes photos all the time, so another attribute by which you can recognise him even in his comics is the inevitable camera bag slung over his shoulders. He does the drawings after returning to his home in Portland, Oregon. And this is a slow process: The on-site research for Paying the Land took a few weeks, its transformation into 250 pages of comics more than three and a half years, from September 2015 to April 2019. One can read such information from Sacco’s work, because since he began drawing comics professionally, he has consistently signed and dated the individual pages in tiny print, so that he also bears witness to his actions. This contrasts with the fact that in his comics reportages Sacco hardly ever mentions when he made the respective visits. One can trace them back on the basis of the events and circumstances described, but like any successful form of reportage, his comics are not just momentary snapshots, but lay claim to validity far beyond the day in question. This quickly becomes clear when you read Paying the Land.
At first, it was said that it was a “history book”, as are all the great works of reportage by Sacco, from Palestine, Safe Area Goražde, and Footnotes in Gaza (this title is the understatement of the century considering its almost four hundred pages) through to Paying the Land. Sometimes, though, Sacco gets ahead of the story, such as when in 2009 he travelled to Malta, the country of his birth, where he returned to report on refugees arriving there by boat from Africa for the Virginia Quarterly Review. That was long before the crisis year of 2015, when most of us first became aware of the problem that Sacco had described back then already. And this despite the unavoidable delay between his visit to Malta and the publication of the two-part reportage.
These delays between research trip and publication are however not only due to the extensive effort required to draw Sacco’s detailed page architectures, but also to the external working conditions of a comics journalist. Sacco, by necessity, is often travelling, and in one of Hans Scholl’s last letters, from early 1943, there is a parable that fits him: “I know a man who, wherever he goes, one could say, never takes off his coat, always remains the outsider, although he is not silent and does not have a mysterious nature. If you talk to him, one could think that after each sentence he could unexpectedly pull out a watch from his pocket and say: Now is the time! I like this person a lot.” Hans Scholl would have liked Joe Sacco – because he is always busy. There are always trips to be made for other projects and promotional appearances to be done for the books, but above all, there needs to be the pressure of a deadline. And this in turn requires a publisher of the reportage. Joe Sacco has long been the most sought-after man in his field, but the notion that there are numerous clients who make it possible for him to do his time-consuming work is naive.
In the United States there is not one single medium that offers a regular forum for comics reportage, and so Sacco’s activities during his almost thirty years of work have been spread among various, albeit highly prominent, publications: The New York Times, the Boston Globe, the magazines Time and Harper’s, the Virginia Quarterly Review, which unfortunately is largely unknown in Germany, and even the now discontinued men’s magazine Details, when Art Spiegelman, Sacco’s great role model and patron, was briefly responsible for printing comics in the flashy environment of the glossy images customary for this segment of the press.
However, some of Sacco’s most important works as a comics reporter were not created for American publications at all, but appeared in the British Guardian newspaper, and Paying the Land would not exist without the commission from the French reportage magazine XXI, founded in 2008 by Patrick de Saint-Exupéry, second-degree nephew of the famous author, which regularly engages comics artists. For Sacco’s first reportages from the Northwest Territories, Saint-Exupéry twice allocated him the thirty pages in his magazine that are reserved for comics. Nowhere else in the world is more space given over to the genre of comics reportage. Apart from in Joe Sacco’s books. But the final version of Paying the Land first appeared in book form in France as a special edition of XXI, six months before the American edition.
The most beautiful quote in the writings of Sophie Scholl is also in French, and it was presumably her favourite, as she used it several times. It was first noted in her diary on 10 April 1941, then in letters to Lisa Remppis dated 14 January 1942 and to Fritz Hartnagel written on 3 January 1943, only one and a half months before her execution: “Il faut avoir un esprit dur et le coeur tendre” – one must have a hard head and a soft heart. Sophie Scholl had learned this saying by the philosopher Jacques Maritain from Otl Aicher. The thoughts and actions of Joe Sacco, like those of Hans Scholl, convey precisely this rhetorical contradiction between hard and soft, which, however, in the interplay of head and heart creates a harmony of content that then intones a truly oppositional concept: Resistance. No other word is so closely associated with the activities of the White Rose.
And no other so closely with the work of Joe Sacco. In one of his personal testimonies he stated: “I’ve picked the stories I wanted to tell, and by those selections my own sympathies should be clear. I chiefly concern myself with those who seldom get a hearing, and I don’t feel it is incumbent on me to balance their voices with the well-crafted apologetics of the ... mainstream media or propaganda organs.”
But there is another sympathy, and that is for his own medium: Those who have eyes to see and who know a little of the history of comics, their historiography, can always see that Sacco pays tribute to his role models. For example Robert Crumb, with his famous “Keep on truckin’” that is humorously quoted in Palestine – although this scene perhaps should have been addressed to another great underground pioneer, Gilbert Shelton, who Crumb was in turn quoting. What Carl Barks created in 1950 as a backdrop for the Kickmiquick River in the Northwest Territories of the world of Duckburg – an analogy to the Mackenzie River, the focal point of Paying the Land – can also be found seventy years later in Joe Sacco’s work. And when he captures the protests of the Occupy Wall Street movement in the autumn of 2011 in drawing, he can’t but help to place in the centre the iconic motif of this fundamental opposition to capitalist society: the Guy Fawkes mask, which in turn was popularised in the early 1980s by a comic that is considered a beacon for the resistance movement against the excesses of our society: V for Vendetta by Alan Moore and David Lloyd. He who doesn’t know all this should draw inspiration from what Sophie Scholl wrote to Fritz Hartnagel on 26 December 1942: “Do you still have something to read? I always want to spur you on, however sour it gets. We have been given our minds in order to think, and that is work, but no feeling will be able to spare us it.” This also applies to the masterpieces of comics literature.
But enough of the luminaries of comic genius Joe Sacco. Otherwise in the context of Sacco’s work the laudation would have to be dedicated entirely to the greatest among them, the aforementioned Art Spiegelman. That Spiegelman’s MAUS was not awarded the Geschwister Scholl Prize is not the fault of the current jury; nevertheless, it can be hard to forgive. But awarding the prize to Joe Sacco is much more than merely making amends. His work extends beyond Spiegelman in its universal claim to resistance and is in the best tradition of Hans and Sophie Scholl. Sacco thus puts the award named after them in the best light.
…Weniger
Dankesrede von Joe Sacco
Ich möchte der Jury, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels - Landesverband Bayern, sowie allen Anwesenden für Ihr heutiges Kommen danken.
Es ist mir eine Ehre, den diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis zu empfangen. Ich habe andere Auszeichnungen erhalten. Aber dieser Preis ist besonders. Er ist nach Hans und Sophie Scholl benannt, Geschwister, deren heroisches Handeln in dunkelsten Zeiten das Beste im Menschen sichtbar macht.
Mehr…
Nichts, was ich getan habe, erreicht die Stufe ihres Widerstands. Ich habe nicht erlebt, was sie und die anderen der Weißen Rose erlebt haben, und ich weiß nicht, wie ich unter ähnlichen Umständen reagiert hätte. Ich glaube nicht, dass ich ihre Stärke hätte.
Die Arbeit, für die ich heute Abend ausgezeichnet werde, entspricht eher den Fähigkeiten eines gewöhnlichen Menschen mit gewöhnlicher Sensibilität. Sich mit den Entrechteten solidarisch zeigen, indem man ihnen begegnet und ihnen zuhört, erfordert keinen übermäßigen Mut. Was ich zusätzlich mitbringe, ist vielleicht die Fähigkeit, zu schreiben und zu zeichnen, aber das ist vor allem praktiziertes Handwerk. Der Ausgangspunkt für all meine Arbeiten ist immer einfach und schlicht menschlich: Der Wunsch, zu verstehen. Meine Fragen bleiben: Warum tun Menschen, was sie tun? Was tun Menschen, wenn sie glauben, dass sie Macht haben, und wie verhalten sie sich, wenn sie sich machtlos wähnen? Dies sind die Fragen, die meine Arbeiten antreiben, ob sie in den 1990er Jahren von belagerten Bosniern oder heute von Palästinensern, die unter einer Besatzung leben, handeln.
Ich habe den Geschwister-Scholl-Preis insbesondere für ein Buch mit dem Titel Wir gehören dem Land erhalten, das ursprünglich als Zeitschriftenartikel über die Auswirkungen der Rohstoffgewinnung auf die Dene, einem indigenen Volk Kanadas, konzipiert war. Ich gebe zu: einer meiner Beweggründe für diese Geschichte war, dass ich nicht erneut von einem gewalttätigen Konflikt berichten wollte. Ich wollte nicht von weiteren Kriegsverbrechen hören und kein einziges Maschinengewehr mehr zeichnen. Ich dachte, eine Geschichte, die in Kanada spielt, würde mich in dieser Hinsicht verschonen. Ich lag falsch. Das Projekt begann als simple Untersuchung zu den Folgen der Rohstoffförderung für die dort beheimateten Ureinwohner. Doch bald wurde klar, dass die Geschichte dunkler und komplizierter ist. Tatsächlich handelt sie davon, wie sich Kolonialismus über Generationen hinweg auswirkt, und welch ungewöhnliche Formen der Gewalt mit ihm einhergehen können. Es ist vielleicht nicht die Gewalt, die wir normalerweise mit der westlichen Expansion über den amerikanischen Kontinent verbinden, mit Eroberern und bewaffneten Siedlern. In Kanada kam die Gewalt mit der Schule.
Lassen Sie mich etwas über die Dene erzählen, bevor die Schulen versuchten, sie als Volk zu zerstören. Jahrhundertelang waren sie von der britischen Krone und den kanadischen Behörden ignoriert worden. Die Region der Subarktis, die ich besuchte, ist für die Landwirtschaft ungeeignet, und war daher für europäische Siedler von geringem Wert. Alles änderte sich im späten 19. Jahrhundert, als dort Gold und Öl entdeckt wurden. Plötzlich wurde das Land wichtig, und wenn man Kontrolle über das Land möchte, benötigt man Kontrolle über die Menschen, die darauf leben. Man muss sicherstellen, dass sie keinen Anspruch auf das Land erheben, selbst wenn sie, wie die Dene von sich sagen, seit „Menschengedenken“ dort leben. Das war der Zweck der Abkommen der kanadischen Regierung mit den First Nations: Die Dene sollten rechtlich ihr Eigentum an dem rohstoffreichen Land aufgeben.
Doch es gab ein Problem, und zwar durch den Unterschied zwischen der Denkweise der Dene, wie ich sie verstehe, und dem europäischen Denken, wie ich es kenne. Sie und ich, wir stellen uns Land als Besitz vor, und was man besitzt, kann man vermessen, kartieren, in Grundstücke aufteilen, kaufen, verkaufen und ausbeuten. Aus der traditionellen Perspektive der Dene stellt sich die Frage nach Landeigentum nicht, und es gibt kein Konzept des Landbesitzes. Tatsächlich glauben die Dene, dass sie dem Land gehören. Sie haben eine auf Gegenseitigkeit beruhende, spirituelle Beziehung mit dem Land. Wenn sie das Land betreten, dann bringen sie ein kleines Geschenk wie Tee oder Tabak, bevor sie ein Zelt errichten. Sie nennen dieses bescheidene aber bedeutungsvolle Ritual „das Land bezahlen“ - paying the land. So gehen sie behutsam mit dem Land um, das sie wiederum versorgt. Die Dene betrachten sich als Teil der Natur, nicht als ihr Mittelpunkt.
Die Aufgabe, die Beziehung der Dene zu ihrem Land zu zerstören, auf der ihre gesamte Kultur beruht, kam den von der Kirche betriebenen und von der Regierung unterstützten Internatsschulen zu. Ich sprach mit Menschen die als Kind – manche bereits mit fünf oder sechs Jahren – ihren Eltern im Busch entrissen, in ein Flugzeug gesetzt und hunderte Kilometer weit weg gebracht wurden, wo man sie mit der westlichen Lebensweise indoktrinierte. Selbst Geschwister wurden voneinander getrennt und auf unterschiedliche Schulen geschickt, und oft wussten die Eltern nicht, wo sich ihre Kinder befanden. Die Kinder erlitten Gewalt und sexuellen Missbrauch durch Priester, Nonnen und andere Schüler. Sie wurden reglementiert, nummeriert, und körperlich bestraft, wenn sie eine andere Sprache als Englisch sprachen. Als die Kinder schließlich in ihre Gemeinschaften zurückkehrten, hatten die meisten ihre Kenntnisse in Bezug auf das Land verloren, oft auch ihre Dene-Sprachen verlernt. Viele konnten nicht mehr mit ihren Großeltern, manche nicht einmal mit ihren Eltern kommunizieren. Abgesehen von dem offensichtlichen Trauma war ihnen der Zugang zu ihrer eigenen Kultur versperrt. Verwundert es, dass Alkoholismus und andere Formen der Selbstverletzung seither ein Problem sind? Das ist die Gewalt, die Kanada nutzte, um die Dene ihrem Land und ihrer Kultur zu entreißen. Das eben von mir skizzierte System der Internatsschulen, bestand teilweise bis in die 1990er Jahre, also bis vor kaum 30 Jahren.
Irgendwann entschuldigte sich die kanadische Regierung, zahlte Entschädigungen und stimmte einer Wahrheits- und Versöhnungskommission zu, so dass die Opfer der Internate in öffentlichen Anhörungen von ihren Erlebnissen berichten konnten. Die Kommission kam in ihren eigenen Worten zu dem Schluss, dass ein „kultureller Genozid“ an den Menschen der First Nations verübt wurde. Kanada hat diese wichtigen Schritte unternommen, und tut gut daran, sich über die eigenen Taten Rechenschaft abzulegen. Das ist sicher mehr, als die USA in Bezug auf die an ihren eigenen Ureinwohnern begangenen Verbrechen unternommen haben. Aber Kanada kann nicht erwarten, dass sich die Probleme des Kolonialismus auflösen, nur weil Entschuldigungen ausgesprochen, Entschädigungen gezahlt und ein vernichtende Kommissionsberichte veröffentlicht wurden. Denn Kolonialismus in Kanada ist nicht etwas, über das wir in der Vergangenheitsform sprechen können. Er besteht bis heute fort. Obwohl kanadische Gerichte bezweifeln, ob indigene Völker jemals ihren Anspruch auf das Land aufgaben, werden Verhandlungen mit der Regierung darüber, wie viel Land jede der First Nations erhalten soll, nach westlichen Vorstellungen und mit westlichen Rechtsbegriffen geführt. Die Souveränität der First Nations beschränkt sich auf relativ kleine Gebiete, und natürlich sorgt die Regierung dafür, dass die First Nations wenig oder keine Mitsprache bei der Entscheidung haben, was mit den Rohstoffen unter ihren Füßen geschieht. Einige der First Nations haben unten ihren Füßen die größten nachgewiesenen Erdgasvorkommen der Welt.
Und darum geht es eigentlich bis heute: Rohstoffe. Ein Volk ehemaliger Halbnomaden, das vom Jagen, Fischen und Fallenstellen lebte, hat heute aus der Perspektive der Marktmächte lediglich einen Zweck: Lohnarbeiter für die Öl- und Gasindustrie zu liefern.
Als ich zum ersten Mal in die Northwest Territories reiste, hatte ich eher eine oberflächliche, vorgefasste Meinung von dem, was ich vorfinden würde. Mein größter Irrtum war die Erwartung, die Dene würden, weil sie ein indigenes Volk sind, der Rohstoffausbeutung vollkommen ablehnend gegenüberstehen. Natürlich traf ich viele Menschen, die gegen Fracking und andere Formen der Rohstoffgewinnung sind. Diesen Menschen geht es nicht nur um die Umwelt – den borealen Wald, die Flüsse und Seen, das Rentier und seine Wanderbewegungen – sondern auch um die negativen Auswirkungen von wirtschaftlicher Entwicklung auf ihre Gemeinschaften: Gutbezahlte Fremde, die ihre Ortschaften bevölkern, die Wohnkosten in die Höhe treiben und Alkoholkonsum, Prostitution und andere soziale Übel verstärken.
Aber die Dene sind, wie jedes Volk, nicht monolithisch. Viele glauben, dass der Abbau von Ressourcen zu ihrem Weg in die Zukunft gehört, selbst wenn sie betonen, dass die Bewahrung des Landes für sie weiterhin oberste Priorität hat. Und für den durchschnittlichen indigenen Arbeiter ist die harte körperliche Arbeit bei Energieunternehmen wie Husky oder Conoco der einzige verfügbare Job. Die Menschen lebten einst in Zelten auf dem Land und bewegten sich mit Hundeschlitten, aber jetzt haben sie Hypotheken abzubezahlen und Schneemobile zu betanken. Wie alle anderen benötigen sie Geld, doch als ich die Northwest Territories vor einigen Jahren besuchte, waren die Jobs verschwunden. Öl und Erdgas waren so billig, dass es sich nicht rentierte, in diesen abgelegenen Gebieten Kanadas Öl und Gas zu fördern. Der Zugang zu diesen Gegenden führt auf ungepflasterten Straßen über viele Berge und ist nur in den Wintermonaten möglich, wenn die Erde hartgefroren ist. Es ist teuer, schweres Gerät heranzuschaffen und das Land für die Ausbeutung von Rohstoffen vorzubereiten, selbst wenn sie reichlich vorhanden sind.
Möglicherweise hat sich die Lage geändert. Wie Sie nur zu gut wissen, hat der brutale Krieg in der Ukraine gezeigt, dass wir noch immer hoffnungslos von nicht-erneuerbaren Energien abhängig sind. Energiesicherheit hat das Klima als unsere Hauptsorge abgelöst. In Europa wurden Kohleminen reaktiviert, und Atomkraftwerke werden länger betrieben, um den Energiemangel auszugleichen. Wenn die Krise andauert – und auf absehbare Zeit wird sie das – wird der Umstieg auf erneuerbare Energiequellen und unsere kleine Hoffnung, dass wir die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erderwärmung eindämmen werden, weiter vertagt.
Und wer weiß, was inzwischen in Nordamerika passiert? Vielleicht werden die Energieunternehmen in die entlegenen Gebiete Kanadas zurückkehren, um Öl und Erdgas zu fördern, da hohe Preise wieder Profite versprechen. Vielleicht warten sie auch ab, bis die Preise noch höher steigen. Sicher wird die kanadische Regierung weiter auf ihre Souveränität über das Land pochen und dafür sorgen, dass indigene Menschen wenig echte Mitsprache erhalten.
Meine eigene persönliche Hoffnung ist, dass die Dene und andere indigene Völker nicht zu Opfern unseres unstillbaren Energiehungers werden. Ich hoffe, sie werden sich behaupten und mit dem Land so leben, wie sie es für richtig halten. Zu meiner Freude kann ich berichten, dass ich unter den Dene junge Menschen kennengelernt habe, die mit den Älteren gemeinsam daran arbeiten, ihre indigenen Traditionen wiederzubeleben – nicht als nostalgische Übung, sondern als einen zeitgemäßen Weg, mit einer sich verändernden Welt umzugehen. Es ist gut möglich, dass sie uns etwas von ihrem Wissen über den Platz des Menschen in der natürlichen Ordnung der Dinge vermitteln können, und vielleicht können sie das um so besser, je mehr man sie dieses Wissen selbst praktizieren lässt.
Aber selbst wenn ihr Wissen auf unser aufgeblähtes Leben angewendet werden könnte, würden wir es beachten? Haben wir im Westen überhaupt noch die Fähigkeit, einer dem Grunde nach spirituellen Botschaft zuzuhören? Vielleicht sind unsere Vorstellungen, die uns zur Unterwerfung der Erde und anderer Menschen gebracht haben, zu fest in unserer Psyche verankert. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, es gibt etwas Tieferes in uns, das noch empfänglich ist für das Beste, was uns die indigenen Völker lehren können. Ohne ihren Beitrag werden wir weiterhin im Nebel tappen, uns einreden, dass technische Lösungen wie der Bau von Windkraftwerken und Lifestyle-Änderungen wie das Recycling von Weinflaschen ausreichen werden, um uns vor einem unwohnlicheren Planeten zu retten. Technische Lösungen und veränderte Lebensgewohnheiten sind wichtig, aber wir werden mehr brauchen als das. Wir werden einen vollständigen Bewusstseinswandel benötigen, wie wir mit der Erde umgehen, und es würde nicht schaden, wenn wir indigene Völker dabei um Rat fragen.
…Weniger
Dankesrede von Joe Sacco (englisch)
I want to thank the jury committee, the Association of Publishers and Booksellers in Bavaria, the City of Munich, and all of you for being here tonight.
I am honored to receive this year’s Geschwister-Scholl Prize. I have had other prizes, but this one is special. It is named for Hans and Sophie Scholl, a brother and sister whose heroic actions in the darkest of times exemplify the very best of the human spirit.
Mehr…
Nothing I have done rises to their level of resistance. I have not faced what they and the others in the White Rose faced, and I don’t know how I would have reacted under similar circumstances. I don’t think I have their kind of strength.
The work I’m being rewarded for tonight is a project within the capabilities of a more ordinary person with a more ordinary sensibility. Expressing solidarity with the dispossessed by meeting them and hearing what they have to say does not require an overabundance of courage. What I add is perhaps an ability to write and draw, but that is a matter of a practiced craft. The starting point for all my work has been simple and something plainly human: the desire to understand. My questions remain: Why do people do what they do? What do people do when they believe they have power, and how do people behave when they think they have none? Those questions have driven all my work, whether it’s about the lives of Bosnians under siege in the 1990s or Palestinians living under occupation today.
Specifically, I have been awarded the Geschwister-Scholl Prize for the book titled, in English, Paying the Land, which was originally conceived as a magazine piece about the effects of resource extraction on the Dene, an indigenous people in Canada’s Northwest Territories. I admit, that one of the reasons I chose to do this story was to get away from reporting on violent conflicts. I didn’t want to hear about another war crime or draw another Kalashnikov rifle. I thought a story set in gentle Canada would spare me that. I was wrong. This project started out as a straightforward examination of the effects of mining on an aboriginal people, but it was soon clear that the story was darker and deeper. The story was actually about how colonialism unfolds over generations and how its violence can take unusual shapes. It might not be the violence we usually associate with the Western expansion across the Americas, the violence that came with the conquistador or the cavalry charge. In Canada, the violence came with the school.
Let me tell you something about the Dene before the schools sought to unmake them as a people. For hundreds of years they were ignored by the British Crown and the Canadian authorities. In the sub-arctic region I visited, the land is not suitable for farming so it was of little value to European settlers. Everything changed in the late 1800s when gold and oil were discovered. Suddenly the land became important, and if you want to control the land, you need to control the people who live on it, you have to make sure they have no claim to the land even if they have lived there, as the Dene say, since “time immemorial”. This was the purpose of the treaties the Canadian government made with the First Nations: They wanted the Dene to legally surrender ownership of a resource-rich land.
But there was one problem – and it is the dividing line between Dene philosophy, as I understand it, and European thought, as I know it. You and I tend to think of land as property, and property can be surveyed, mapped, divided into plots, bought, sold, and exploited. From the traditional Dene perspective, there is no question of land as property, and there is no conception of owning land. In fact, the Dene believe the land owns them. Theirs is a reciprocal and spiritual relationship with the land. When they go on the land, they bring it a small gift like tea or tobacco before they start putting up a tent. They call this modest but meaningful ritual “paying the land.” In this way, they treat the land gently, and the land takes care of them in turn. The Dene think of themselves as a part of the natural world and not as its center.
Breaking the Dene’s link to the land, on which their entire culture is based, became the mission of the residential schools, which were run by the Church and facilitated by the government. I spoke to people who, as children, some as young as five or six years old, were pulled from their parents in the bush, put onto aircraft, and flown hundreds of kilometers away to be indoctrinated into Western ways. Even brothers and sisters were split up and sent to different schools, and the parents often didn’t know where their children had gone. The children suffered violence and sexual abuse at the hands of priests and nuns and each other. They were regimented, assigned numbers, and physically punished if they spoke anything other than English. When the children finally returned to their communities, they had lost most of their land skills and often they had forgotten their Dene languages. Many could no longer communicate with their grandparents or in some cases with their parents, and so, beyond the obvious trauma, their culture could not easily be returned to them. Is it a wonder that alcoholism and other forms of self-harm have been a problem ever since? This is the violence Canada used to try to break the Dene from the land and their culture. The residential school project I’ve just outlined didn’t fully end until the 1990s, less than 30 years ago.
Eventually, the government of Canada apologized, paid out damages, and agreed to go along with a truth and reconciliation commission so that the victims of the residential schools could tell their stories in public hearings. Ultimately the commission concluded that, in its words, a “cultural genocide” had been perpetrated against the First Nations people. Canada has taken these important steps to reckon with its actions, and that is for the good. Certainly it is much more than the United States has done in regards to crimes against its own native population. But Canada cannot expect that once the apologies are spoken, once the compensation checks are written, and once a commission has published a damning report, that the issue of colonialism is resolved. Because colonialism in Canada isn’t something we can talk about in the past tense. It continues today. Though Canadian courts have called into question the idea that indigenous people ever gave up their claims on the land, negotiations with the government about how much land each First Nation should get are conducted along Western lines using Western legal terminology. First-Nation sovereignty is limited to relatively small areas, and, of course, the government makes sure that the First Nations have little or no say in what happens to the resources under their feet. And for some First Nations, what’s under their feet are some of the biggest proven natural gas reserves in the world.
And that is what it is still all about: resources. A once semi-nomadic people who used to live by hunting, fishing, and trapping, have only one purpose from the perspective of market forces – to be wage labor for the oil and gas industry.
When I first went to the Northwest Territories, I had a number of shallow, preconceived ideas about what I would find. My main misconception was that the Dene, by virtue of being an indigenous people, would be completely opposed to resource extraction. Of course, I did find people who were against fracking and the other forms of mining. These people are concerned not only about their environment – the boreal forest, the rivers and lakes, the caribou and their migration patterns – but also about the adverse effects of development on their communities: well-paid outsiders filling their towns and hamlets and raising the cost of housing, and an increase in alcohol consumption, prostitution, and other social ills.
But the Dene, like any people, are not a monolith. Many believe resource extraction is part of their way forward, even if they insist stewardship of the land is still their number one priority. And for the average indigenous worker, the hard manual jobs provided by energy companies like Husky and Conoco are the only jobs available. The people once lived in tents on the land and got around with dog sleds, but now they have home mortgages to pay and snowmobiles to fill with gasoline. Like everyone else, they need money, but when I was visiting the Northwest Territories a few years ago, the jobs were gone. Oil and natural gas was so cheap that it wasn’t profitable to mine in such remote parts of Canada. After all, wheeled access to these areas is over mountains on unpaved roads and is only possible in the winter months when the ground is frozen solid. It is expensive to bring in heavy equipment and prepare the land for mining even if there are abundant resources there.
The situation may have changed. As you know too well, the brutal war in Ukraine has demonstrated that we are still hopelessly reliant on non-renewable energy for our many needs. Energy security has replaced the climate as our primary concern. In Europe you’ve reopened coalmines and reactivated nuclear power plants to make up the energy shortfall. If the crisis continues – as it certainly will for the foreseeable future – the switch to renewable resources and our small hope that we will be able to mitigate the worst effects of global warming will be further diminished.
Meanwhile in North America, who knows? Perhaps the energy companies will return to the remote areas of Canada to extract oil and natural gas as high prices make it profitable to do so again. Or perhaps they’ll wait until prices climb even higher. In any case, the government of Canada will certainly continue to insist on its sovereignty over the land and make sure indigenous people have little real say in the matter.
My own personal hope is that the Dene and other indigenous peoples will not be among the victims of our insatiable need for energy. I hope they will assert themselves and live with the land in the ways they see fit. I am glad to tell you that I met young people among the Dene who are working with their elders to reclaim their indigenous traditions not as a nostalgic exercise, but as an up-to-date way of addressing a changing world. They might have lessons to teach us about humanity’s place in the natural scheme of things, and they may be better able to do so if they are left to practice those lessons themselves.
But even if their lessons could be applied to our bloated Western lives, would we take them to heart? Do we in the West still have what it takes to listen to what is essentially a spiritual message? Perhaps our own philosophies, which have led us to subjugate the earth and each other, are too fixed in our psyches. I hope not. I hope there is something even deeper within us that can still respond to the best messages indigenous people have to offer. Without their contribution, we will continue groping forward, fooling ourselves that technical fixes like putting up wind turbines and lifestyle choices like recycling wine bottles are all it will take to save ourselves from a less habitable planet. The technical fixes and lifestyle changes are important, but we are going to need more than those. We are going to need a complete change of consciousness about how we relate to the earth, and it wouldn’t hurt to ask indigenous people for a few suggestions.
…Weniger