Mit „Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus“ legen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ein Werk vor, das die politische Gegenwart eindringlich und zugleich mit großer Sensibilität ausleuchtet. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung vieler Menschen, dass die Versprechen liberaler Demokratien – Freiheit, Teilhabe, soziale Sicherheit – zunehmend als unerfüllt wahrgenommen werden. Aus dieser Enttäuschung erwächst eine eigentümliche Lust an der Zerstörung.
Der von den Autor*innen entwickelte Begriff des „demokratischen Faschismus“ beschreibt eine Haltung, die mitten in der Demokratie entsteht: eine Mischung aus Ressentiment, regressiver Rebellion und faschistischen Fantasien, die Institutionen nutzt, um sie zugleich auszuhöhlen. Diese Diagnose gründet in einer Vielzahl von Stimmen: Interviews, Protokollen und Beobachtungen, die von Verunsicherung und Ausgrenzung berichten. Gerade diese Vielstimmigkeit macht deutlich, wie weit das Phänomen in die Gesellschaft hineinreicht – von der verunsicherten Mitte bis in radikalisierte Milieus.
Amlinger und Nachtwey vermeiden einfache Schuldzuweisungen. Sie legen frei, welche Strukturen den Boden für destruktive Energien bereiten: wachsende Ungleichheit, der Verlust von Status und Zugehörigkeit, die Erosion gemeinsamer Verbindlichkeiten. So wird sichtbar, dass Zerstörungslust Ausdruck einer demokratischen Krise ist, die tief in den affektiven Schichten unserer Gesellschaft wurzelt.
Die Sprache des Buches ist klar und konzentriert, verdichtet statt zu überhöhen, macht komplexe Zusammenhänge durchsichtig, ohne an Tiefe zu verlieren.
„Zerstörungslust“ zeigt unübersehbar, dass die Gefährdung der Demokratie nicht nur von außen kommt, sondern aus uns selbst erwächst. In dieser schonungslosen Analyse wird deutlich, warum das Buch den Geschwister-Scholl-Preis erhält: Es bezeugt geistige Unabhängigkeit, indem es gängige Erklärungsmuster durchbricht und unbequeme Wahrheiten ausspricht. Und es fordert bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut, indem es die Lesenden dazu herausfordert, sich den Selbstgefährdungen der Demokratie zu stellen und Verantwortung für die Gegenwart zu übernehmen.
Zugleich weisen die Autor*innen über die Diagnose hinaus: Mit dem Begriff eines „neuen Antifaschismus“ entwerfen sie eine Haltung, die nicht beim pädagogischen Appell stehenbleibt, sondern soziale Gerechtigkeit, demokratische Teilhabe und eine erneuerte Vorstellung von Freiheit ins Zentrum stellt. Damit aktualisiert das Buch das Vermächtnis der Geschwister Scholl – und macht es für unsere Zeit lebendig.